Andreas Onea hat einen Plan, der da lautet: Gold in Rio 2016: "Da bin ich dann 24 und am Zenit." In London darf es aber ruhig schon Bronze werden.

Foto: Andreas Onea

Als x-facher Staatsmeister startet Onea in London über 100m Brust, 100m Delfin und 200m Lagen.

Foto: Andreas Onea

Wien - Den Begriff Grenzen kennt Andreas Onea natürlich. "Ich habe aber noch nie welche gesehen, nur gehört, dass sie in den Köpfen mancher Menschen existieren." Einen Beweis für seine Aussage lieferte Onea letzte Woche bei den Schwimm-Staatsmeisterschaften in Innsbruck. Noch nie hat in Österreich ein körperbehinderter Schwimmer ein B-Finale bei den Nichtbehinderten gewinnen können. Bis jetzt halt.

Und das ausgerechnet vor den Paralympics ins London, die in zwei Wochen anheben. Nach medialen Maßstäben werden es die aufregendsten Spiele für Behindertensportler aller Zeiten sein, ARD und ZDF übertragen über 50 Stunden live aus London, sogar der ORF berichtet täglich. Ein Jammer nur für Andreas Onea, dass seine formidablen 02:34.72 Minuten von Innsbruck in London nichts zählen, da über 200 Meter Brust nicht olympisch geschwommen wird. "Das ist natürlich schade für mich. Da bin ich Weltranglisten-Zweiter, hätte wohl eine Fixmedaille. So werde ich es halt über 100 Meter Brust angehen, Bronze ist drin", sagt der 20-Jährige.

Keine Vorwürfe

Andreas Onea fehlt der linke Arm. 1998, mit sechs Jahren, rutscht das Auto der Eltern bei der Rückkehr aus dem Urlaub von der verregneten Straße. Onea wird aus dem Wagen geschleudert, sein Arm vom Gurt abgerissen. Er habe seinem Vater, der am Steuer saß, danach nie einen Vorwurf gemacht. "Ohne den Unfall wäre ich nicht zum Sport gekommen und wäre jetzt ein ganz normaler Teenager."

Die Rehabilitation führte ins Becken und im nächsten Schritt zum Leistungssport. Beim Schwimmen kompensiert er den fehlenden Armzug durch starke Beinbewegungen. Und durch gewaltige Trainingsumfänge: In seinen Hochphasen legt Onea zehn Kilometer im Wasser zurück, geht drei Stunden in die Kraftkammer, radelt zwei Stunden am Ergometer, dazu kommt noch Stabilisieren, Gymnastik. "Ich trainiere acht bis zehn Stunden pro Tag. Natürlich wird das weniger, je näher der Wettkampf rückt." Das geht prinzipiell nur als Profi oder als Student. Onea macht auf der WU Wien seinen Bachelor, von der Sporthilfe wird er mit 440 Euro monatlich gefördert, in der höchsten Kategorie "Weltklasse".

Ungerechte Spiele

Und auch wenn das Peanuts sind, die öffentliche Wertschätzung des Behindertensports wächst. Und mit ihr die Probleme für die Athleten. Die Paralympics sollen noch attraktiver für das Publikum werden: Das Programm wurde gestrafft, es werden weniger Medaillen vergeben. Darum kämpfen jetzt Schwer- und Leichtbehinderte in denselben Klassen. Wolfgang Schattauer, Olympia-Starter im Handbike, übt Kritik am IPC (Internationales Paralympisches Komitee): "Die Schwerbehinderten bleiben über. Der Grundgedanke des Behindertensports geht verloren."

"Die Öffentlichkeit will durchtrainierte Profilathleten sehen. Schwerbehinderte im Rollstuhl lassen sich schlechter verkaufen als ein Leichtathlet, der mit Prothesen sprintet. Oscar Pistorius ist ein Medienstar, Rollstuhlfahrer mit nur zwei funktionierenden Armen können aber auch Topathleten sein", sagt Andreas Onea.

Zurück von den Geldmaschinen ins Schwimmbecken: Das Traumziel für Onea liegt bei 1:10 Minuten über 100 Meter Brust. Damit würde er nicht einmal zwölf Sekunden über dem Weltrekord liegen, den der Südafrikaner Cameron van der Burgh gerade in London aufgestellt hat. Mit beiden Armen. Den Weltrekord bei den behinderten Sportlern (1:06 Min.) hält der ukrainische Vollprofi Andriy Kalina, der ebenfalls nur einen Arm hat. Onea: "Er würde bei den regulären österreichischen Meisterschaften ganz vorne mitschwimmen." (Florian Vetter, derStandard.at; 17.8.2012)