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Angela Merkel und noch einmal Angela Merkel. Die Publizistin Gertrud Höhler wirft der Kanzlerin vor, nicht nur in Deutschland die Nummer eins sein zu wollen, sondern auch ein Europa unter deutscher Führung anzustreben.

Foto: EPA/TIM BRAKEMEIER

Es ist heiß im Saal, Techniker verlegen letzte Kabel, Journalisten kämpfen um Plätze. "Bitte entschuldigen Sie, wir hatten nicht mit einem solchen Andrang gerechnet", sagt eine Organisatorin. Genervtes Gestöhne ist die Folge.

Kein Andrang? Es ist das Buch des Sommers, das da ein Jahr vor der nächsten Bundestagswahl präsentiert wird. Gertrud Höhler, Publizistin, Beraterin vieler Unternehmen und einst auch Ratgeberin von Angela Merkel, hat es geschrieben. "FAZ", "Süddeutsche" und "Spiegel" sorgten für entsprechenden Trommelwirbel vorab.

Denn Höhler vertritt eine kühne These: Deutschland erlebe - nach Nationalsozialismus und Kommunismus - seine dritte Diktatur, den Merkelismus sozusagen. "Die Patin. Wie Angela Merkel Deutschland umbaut", heißt das Buch (Orell Füssli, 22,60 Euro). Das Cover zeigt einen Schattenriss von Merkel. Lauter Ingredienzien also, die einen natürlich gleich an die Mafia denken lassen.

Auf 280 Seiten arbeitet sich Höhler dann an Merkel ab. Diese habe nicht nur alle parteiinternen Konkurrenten beseitigt, sondern werkle auch inhaltlich an der Entdemokratisierung Deutschlands durch hemmungslose "Raubzüge in den Revieren der Grünen und der SPD". Ob Abschaffung der Wehrpflicht, Ausbau von Kindergärten oder Atomausstieg - Merkel habe so oft ihre Meinung geändert, nur um an der Macht zu bleiben. Wettbewerb zwischen den Parteien lasse sie nicht mehr zu.

Pfad der Demokratie

Zwar verwendet Höhler das Wort "Diktatur" nicht, aber es heißt unmissverständlich: "Wer Normen und Werte einer demokratischen Gesellschaft zur Manövriermasse macht wie Angela Merkel, der arbeitet am Zerfall der Demokratie." Höhler schreibt auch: "Die Demokratie lebt vom Wettbewerb. Staaten, in denen der Wettbewerb nur vorgetäuscht wird (...), nennen wir totalitäre Systeme oder Unrechtsstaaten. Die Regierung Merkel hat den Pfad der Demokratie verlassen."

Ist Merkel also eine Antidemokratin, wird Höhler bei der Buchvorstellung gefragt. Ihre Antwort: "Wir wissen nicht genau, ob Merkel eine Demokratin ist." Die Rechte des Bundestags jedenfalls würden bei der Eurorettung immer mehr beschnitten, und der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) habe "Merkmale von Geheimbünden". Merkel wolle zudem ein Europa unter deutscher Führung. Höhlers Buch hat übrigens eine Widmung: "Für alle, die noch die Faust in der Tasche haben". Merkel, so ist zu hören, hat den Vorabdruck in der "FAZ" nur zur Hälfte gelesen.

Viele Konservative haben tatsächlich die Faust in der Tasche. Aber dort wird sie bis auf weiteres auch bleiben. Diese Woche wollte eine Gruppe aus 40 Unzufriedenen unter Führung des hessischen Fraktionsvorsitzenden Christean Wagner das sogenannte "Berliner Manifest" vorstellen und sich für ein konservativeres Profil der CDU aussprechen, um bei der Bundestagswahl 2013 wieder mehr Stammwähler anzusprechen. Daraus wird aber nichts. Die Gruppe ist zerstritten, sie konnte sich nicht auf eine gemeinsame Forderung einigen. Sie war zudem aus der CDU-Zentrale unter Druck gesetzt worden. Dort hieß es: Jetzt, wo Merkel um den Euro kämpfe, müssten alle hinter ihr stehen. (Birgit Baumann, DER STANDARD, 24.8.2012)