Beträchtliches Interesse an der Präsentation des Forums österreichischer Filmfestivals am Dienstagabend in Wien.

Foto: Lukas Maul

Lars Henrik Gass, Leiter der traditionsreichen Kurzfilmtage Oberhausen, erläuterte die Überlegungen und Bedingungen der Branche in Deutschland.

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Gruppenbild der Forums-Mitglieder.

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Wien - Am Dienstag traten 18 Filmfestivals aus ganz Österreich, die sich zum Forum österreichischer Filmfestivals (FÖFF) zusammengeschlossen haben, in der Viennale-Zentrale an die Öffentlichkeit, um auf ihre mangelhafte Struktur- und Planungssicherheit hinzuweisen.

Zahlen als Grundlage: Insgesamt zählen die 19 heimischen Festivals pro Jahr an 161 Tagen rund 230.000 Besucher, die über 1.800 Filme geboten bekommen, welche größtenteils sonst nicht in Österreich zu sehen wären - und empfangen dabei rund 800 internationale Gäste zum fachlichen Austausch. Dem gegenüber steht der Umstand, dass aus der Kunst- und Kulturförderung des Bundes, die über ein Budget von 438,7 Millionen Euro verfügt, lediglich 0,77 Millionen Euro für Filmfestivals vorgesehen sind.  Dies im Vergleich mit der Schweiz, wo an die 14 bedeutendsten Festivals des Landes umgerechnet 2,9 Millionen Euro vergeben werden.

Veraltete Annahmen

Im Rahmen der entsprechend "Raus aus der Kommastelle!" betitelten Podiumspräsentation wurden neben allgemeinen Forderungen wie der nach einem Respekt für den "essentiellen Beitrag der Festivals zur Film- und Kinokultur" die Behebung dreier eklatanter Mängel eingeklagt:

- das Fehlen einer auch als solche deklarierten Filmfestivalförderung. Die Investition in Filmfestivals geschehe derzeit unter dem Punkt "weitere Verbreitungsmaßnahmen". Die Förderrichtlinien seien veraltet und die Formulare oft nicht für Festivals geeignet. Filmfestivals gehören jedoch zum sogenannten Kerngeschäft – und ihre Förderung darf nicht zulasten der Produktions- und Vertriebsbudgets einzelner Filme gehen.

- die Möglichkeit angemessener Bezahlung von Vorführrechten der Filme. Die alte Annahme, Festivals wären Werbeplattformen für die anschließende Kinoverwertung, stimmt nicht mehr. Die weltweite Fülle an Festivals ergeben längst einen Markt für sich, und Qualitätsware ist nicht mehr gratis. Der aus den aktuellen Förderbedingungen resultierende Missstand gehöre beendet.

- die Möglichkeit fairer Entlohnung im Filmfestivalbereich. Es ist derzeit nur in Ausnahmefällen möglich, bei Mitarbeitern mit spezifischen Fachwissen und jahrelanger Erfahrung Mindeststandards bei der Entlohnung einzuhalten. Noch verschleiern Vereinsstrukturen, wenn verantwortungsvolle Organisationsarbeiten über "Praktika" abgewickelt werden.

 Impuls aus Deutschland

Unterstützt wurden die heimischen Festivalschaffenden von Lars Henrik Gass, Leiter der Kurzfilmtage Oberhausen und als Norddeutscher "österreichischer Larmoyanz" unverdächtig. In einem Impulsreferat fasste er die Änderungen in der Rolle und der Marktposition von Festivals zusammen:  "Im Grunde stellen Festivals eine kulturelle Grundversorgung her." Sie hätten bei zunehmend individualistischem Filmkonsum via DVD und Internet mittlerweile von Kino und Fernsehen die Aufgabe übernommen, eine breitere Öffentlichkeit mit Filmkultur zu versorgen. Diese gesellschaftliche Funktion schlage sich jedoch nicht in den Budgets nieder - dabei sei ein gutes Filmfestivals durch nichts zu ersetzen: "Ein Filmfestival ist wie eine jener Buchhandlungen, in denen man am Ende etwas findet, das man nicht gesucht hat."

Zudem sei für Gass klar, dass es ohne sein Festival wohl kein Kino mehr in der Fußgängerzone der Ruhrgebietsstadt Oberhausen geben würde. Er bestätigte damit die Einschätzung von Wolfgang Steininger, Leiter des traditionsreichen Freistädter "Festival des 'neuen' Heimatfilms", dass der Erhalt der beträchtlichen Dichte von Programmkinos in Oberösterreich wesentlich auf Spezialveranstaltungen wie eben kleinen Festivals beruht.

 Im positiven Sinne "Ausnahmezustände"

Die gegenwärtige Haltung, dass Filmfestivals primär als Angelegenheit der Bundesländer und Gemeinden gesehen werden, produziert Verzerrungen. Das "Privileg" der Viennale, angemessene Gehälter zahlen zu können, beruht wesentlich auf dem Selbstverständnis der Gemeinde Wien. Sponsoren verstärken die Verzerrung: Angehalten, nicht in kulturellen Werten, sondern marktwirtschaftlich zu denken, legen sich deren Marketing-Abteilungen bevorzugt in gemachte Betten - investieren also nur dort, wo mit öffentlichen Geldern schon große Publikumszahlen generiert wurden.

Gegen die Zentralisierungstendenz der "Märkte" argumentierte Sebastian Höglinger vom Welser Jugendfilmfestival Youki, das wegen seiner spezifischen Ausrichtung wesentlich mit Mitteln aus dem Bildungsbudget getragen wird: "Es ist eine unabdingbare Notwendigkeit, dass auch abseits von Wien eine qualitative Pflege der Filmkultur stattfindet." Dort seien die Festivals im positiven Sinne "Ausnahmezustände". Und dennoch werde man als kleine Unternehmung gezwungen, den "grauslichen Kreislauf des Lohndumpings" weiterzutragen: Steigende technische Fixkosten bei gleichbleibenden Budgets gehen zu Lasten der planenden und durchführenden Menschen.

Man dürfe dabei nicht etablierte Künste gegen den Film ausspielen, stellte Viennale-Leiter Hans Hurch klar: "Es ist nicht unsere Aufgabe, die Verteilung zu fordern. Unsere Aufgabe ist zu fordern, dass es mehr Geld für die Kultur gibt." Bei seinem Engagement im Forum gehe es auch nicht um gönnerhafte Solidarität mit den Kleinen, sondern um eine kulturpolitische Überzeugung. Schließlich sei der Erfolg des österreichischen Films der vergangenen Jahre nicht zuletzt der Aufmerksamkeitsgenerierung durch Festivals zu verdanken.

 Zerreden statt besprechen?

Seitens des Ministeriums wurde im Rahmen der Podiumsdiskussion Gesprächsbereitschaft zugesichert. Tags darauf erfolgte via Aussendung allerdings ein Zerreden der aufgezeigten Problemlage: "Begrüßt" wurde der Zusammenschluss der Festivals von Elisabeth Hakel, SPÖ-Sprecherin für Kreativwirtschaft, die zugleich auf die von SP-Kulturministerin Claudia Schmied geplante Erhöhung der Förderung des Österreichischen Film Instituts auf jährlich 20 Millionen Euro verwies. Wobei diese Erhöhung ausdrücklich für die Herstellung neuer Filme gedacht ist - auch das bekanntermaßen ein Arbeitsfeld mit "Präkariats"-Problemen.

Zudem verwies Hakel auf VP-Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner:  "Neben der Kulturförderung ist hier vor allem auch die Wirtschaftsförderung gefordert."  Wobei unschwer absehbar ist, dass das Wirtschaftministerium sich als für kleine Kulturfestivals nicht zuständig erklären wird. (APA, red, derStandard.at, 31.10.2012)