Letzte Woche ist es wieder einmal passiert: eine schwangere Frau starb in Irland, weil die behandelnden Ärzte ihr die lebensrettende Behandlung mit dem Hinweis "dies ist ein katholisches Land" verweigerten.

Soweit so unspektakulär. Jeden Tag sterben schwangere Frauen auf der Welt, weil ihr Leben weniger wert ist als jenes ihres Fötus: Ihnen wird ein Schwangerschaftsabbruch verweigert. Nach Schätzungen der WHO fallen dieser Unmoral jedes Jahr etwa 50.000 Frauen zum Opfer. Schlagzeilen macht dieses sinnlose Sterben von Frauen üblicherweise keine. Aber diesmal geschah es mitten in Westeuropa.

Keine Hilfe für Frauen von Frauenärzten

Eine Frau in der 17. Schwangerschaftswoche erlitt eine Fehlgeburt und ging in das regionale (katholische) Krankenhaus in Irland. Es war auch für die Ärzte offensichtlich, dass das Fortschreiten der Fehlgeburt nicht mehr aufzuhalten war. Aber anstatt das einzig richtige in dieser Situation zu tun, nämlich die Schwangerschaft rasch und ohne viel Blutverlust zu beenden, warteten die Ärzte ab, weil beim Fötus noch ein Herzschlag vorhanden war. Für die 'Frauenärzte' stand nicht die Gesundheit und das Überleben der Frau im Mittelpunkt, sondern der Herzschlag des Fötus. Obwohl dieser keinerlei Überlebenschance hatte.

Sie warteten ganze drei Tage. Als der Herzschlag des Fötus aufhörte, hatte die zuvor gesunde Frau vorhersehbarerweise eine Blutvergiftung, an der sie vier Tage später verstarb.

Was ist das für eine Moral?

Von offizieller katholischer Seite kam keine Spur von Einsicht oder gar Bedauern. Vielmehr behauptete Dublins Erzbischof Diarmuid Martin, im Widerspruch zu den offensichtlichen Fakten Irland sei ein sicheres Land für schwangere Frauen.

Zwar ist die Situation in Österreich deutlich besser: Schwangerschaftsabbruch ist seit 1975 erlaubt, und es stirbt deshalb auch keine Frau mehr an den Folgen. Trotzdem gilt bei uns weitgehend die gleiche katholische Moral, nach der ein Embryo mehr wert ist als eine schwangere Frau.

Unter den negativen Folgen dieser 'Moral' leiden Frauen auch in Österreich: Wirksame Verhütungsmethoden, wie Spiralen oder Sterilisation werden Frauen nur unter gewissen Bedingungen gewährt, medizinisch notwendige Schwangerschaftsabbrüche werden häufig verweigert, und Frauen müssen einen Schwangerschaftsabbruch selbst bezahlen, obwohl sie ihren Beitrag zur Krankenversicherung leisten.

Religionsgemeinschaften haben eine wichtige Aufgabe, um den spirituellen Bedürfnissen der Menschen einen Ort zu geben. Sie sollen das Recht und die Freiheit haben, ihre Religion auszuüben. Allerdings haben sie in einem demokratischen Staat kein Recht, anderen Menschen ihre Moralvorstellungen aufzuzwingen, noch dazu, wenn sich diese als Patientinnen in einem abhängigen Verhältnis befinden.

Der tragische Fall aus Irland zeigt auf, welches Risiko damit verbunden ist, wenn Religion außerhalb ihrer Kernaufgaben im Gesundheitsbereich tätig ist. Offenbar können sich Religionen in den medizinischen Leistungen häufig nicht nach den individuellen Bedürfnissen der PatientInnen richten, sondern bleiben in ihrer religiösen Bevormundung verhaftet. Um die damit verbundenen Tragödien in Zukunft zu verhindern ist deshalb der Staat gefordert den Rückzug der Religion aus dem Gesundheitswesen sobald als möglich zu veranlassen. (Christian Fiala, derStandar.at, 23.11.2012)