Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) schenkt dem STANDARD ein Haar - eine toxikologische Analyse davon bereitet ihr keine Sorgen: "Sie werden zu 100 Prozent nichts finden!"

Foto: Der Standard/Cremer

"80 Prozent der Asylverfahren sind nach sechs Monaten abgeschlossen - und nach drei Monaten im Verfahren darf ein Asylwerber ja schon als Saisonnier, etwa in der Landwirtschaft oder im Tourismus, arbeiten. Wir haben ein Instrumentarium, das funktionieren könnte."

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"Ich will Kinder und Jugendliche schützen. Die Haartests sollen helfen, den Verlauf von Drogenkarrieren festzustellen, um rechtzeitig Hilfe und Therapie anzubieten."

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STANDARD: Stellen Sie uns ein paar Haare von Ihnen zur Verfügung?

Johanna Mikl-Leitner: Selbstverständlich. Für mich ist das ja ein viel geringerer Eingriff in die Grundrechte als ein Harntest.

STANDARD: Danke - wenn wir dieses Haar auf Drogen testen lassen: Keine Sorge, dass wir was finden?

Mikl-Leitner: Zu 100 Prozent nicht!

STANDARD: Vielen Leuten ginge es anders. Über ein Drittel hat schon Cannabis geraucht. Wollen Sie die alle ins Kriminal rücken?

Mikl-Leitner: Keineswegs. Ich will Kinder und Jugendliche schützen. Die Haartests sollen helfen, den Verlauf von Drogenkarrieren festzustellen, um rechtzeitig Hilfe und Therapie anzubieten.

STANDARD: Ein Jugendlicher, der vor einem halben Jahr an einem Joint gezogen hat, hat vielleicht gar kein Drogenproblem, sondern kriegt erst durch die Haartests eines - durch Anzeige und Scherereien in der Schule.

Mikl-Leitner: Es ist nicht Sinn und Zweck, dass wir jeden einzelnen Jugendlichen kontrollieren. Der Haartest ist lediglich ein neues Instrumentarium, das dort eingesetzt wird, wo es bisher Harntests gibt. Wer in einer Therapie ist, muss dann nicht mehr jede Woche zum Arzt zur Harnabgabe, sondern hinterlässt eine Haarprobe, die Konsum viel länger und präziser nachweist.

STANDARD: Sie wollen also nicht flächendeckende Tests an Schulen?

Mikl-Leitner: Daran ist überhaupt nicht gedacht. Lassen Sie uns einmal die Projekte machen, dann entscheiden wir, wie wir mit dem Instrument umgehen. Als die DNA-Tests eingeführt wurden, gab es auch einen Aufruhr - heute weiß jeder, dass die Ermittler ohne nicht vorankommen. Die Haaranalyse wird bereits in Frankreich, Deutschland und Finnland eingesetzt.

STANDARD: Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ) wirft Ihnen vor, Suchtkranke mit der Polizei bekämpfen zu wollen.

Mikl-Leitner: Diese Kritik halte ich aus. Seit Jahren ist der Gesundheitsminister eine Anti-Drogen-Strategie schuldig. Unsere Experten haben angeklopft, um Termine gebeten - aber was war? Bisher nur taube Ohren und verschlossene Türen! Also haben wir im Innenministerium unsere eigene Anti-Drogen-Strategie vorgelegt.

STANDARD: Sie greifen dabei die Substitutionstherapie an, die Heroinabhängigen Ersatzmedikamente bietet: Wollen Sie, dass sich diese Menschen ihren Stoff wieder auf der Straße besorgen und aus dem geregelten Leben rausfallen?

Mikl-Leitner: Ich will die Substitution nicht streichen, die Methode hat sich durchaus bewährt. Es geht aber darum, wie wir es machen. Die Anzeigen wegen Handels mit Ersatzmedikamenten steigen permanent. Wir wissen, dass es viel an Missbrauch gibt.

STANDARD: ÖVP-Gesundheitssprecher Erwin Rasinger widerspricht dem und verweist auf strenge Ärzteschulungen.

Mikl-Leitner: Ich sehe einen blühenden Schwarzmarkt. Man muss mit offenen Augen durchs Leben gehen. Dann sieht man, dass nicht alles in Ordnung ist.

STANDARD: Geht es Ihnen nicht einfach darum, im Niederösterreich-Wahlkampf eine harte Hand zu zeigen, auf Kosten von Leuten, denen es dreckig geht?

Mikl-Leitner: Wahlkämpfe vergehen wie Wirbelstürme - und fast jedes Jahr ist einer. Ich will eine davon abgekoppelte, fachliche Diskussion.

STANDARD: Sie gelten als politische Ziehtochter Erwin Prölls. Was haben Sie von ihm alles gelernt?

Mikl-Leitner: Das politische Handwerk, die Konsequenz, die Zuverlässigkeit, die Disziplin. Man steht immer in der Öffentlichkeit und muss Vorbild sein - und Gott sei Dank komme ich mit fünf Stunden Schlaf aus. Das Wichtigste aber ist die Nähe zu den Menschen. Nur dann bekommst du ein Gefühl dafür, wo sie der Schuh drückt.

STANDARD: Warum wenden sich dann so viele Kinder aus der schwarzen Familie ab - und wechseln wie Karin Prokop und Ernest Gabmann jr. zu Frank Stronach?

Mikl-Leitner: Das muss jeder mit sich selber ausmachen und bereitet mir kein Kopfzerbrechen.

STANDARD: Nach Wien, in die Votivkirche: Ihr Vorschlag, um das Problem mit den durch Hungerstreik geschwächten Asylwerbern zu lösen?

Mikl-Leitner: Ich kann auch nur an die Asylwerber appellieren, in die angebotenen Privatquartiere zu gehen, damit wir sie medizinisch versorgen können. Doch eines ist klar: Für Menschen, die in ihrem Herkunftsland verfolgt werden, wird es in Österreich immer einen Platz geben. Aber ein Bleiberecht für alle kann es nicht geben - das ist eine unrealistische Forderung.

STANDARD: Zwei Asylwerber wurden bereits abgeschoben, weitere 20 haben schon rechtskräftige negative Bescheide. Drohen vor dem 3. März weitere Abschiebungen?

Mikl-Leitner: Meine Polizisten werden das tun, was das Gesetz von ihnen verlangt - ich gebe keinerlei Aufträge, dass die Beamten dem nicht nachkommen sollen. Leider haben Aktionisten in der Kirche die Asylwerber instrumentalisiert und so das Klima gekippt - und das tut weh.

STANDARD: Die Menschen in der Votivkirche fordern auch Arbeit. Warum erlaubt der Staat Asylwerbern nicht, echte Jobs anzunehmen?

Mikl-Leitner: 80 Prozent der Asylverfahren sind nach sechs Monaten abgeschlossen - und nach drei Monaten im Verfahren darf ein Asylwerber ja schon als Saisonnier, etwa in der Landwirtschaft oder im Tourismus, arbeiten. Wir haben ein Instrumentarium, das funktionieren könnte. Aber die Flüchtlingsorganisationen müssen den Asylwerbern schon Unterstützung geben, dass sie Saisonjobs annehmen. Pro Jahr gibt es 10.000 derartige Arbeitsplätze, aber nur 500 werden von Asylwerbern eingenommen. Da muss man sich eben darum kümmern.

STANDARD: Caritas und Co sollen die Menschen jetzt also auf Felder und in Skiorte vermitteln?

Mikl-Leitner: Genau. Wo ein Wille, da ein Weg. Wir haben ja auch folgendes Phänomen: 3500 subsidiär Schutzberechtigte gehen keiner Arbeit nach, obwohl sie, wie die Österreicher, einen vollen Zugang zum Arbeitsmarkt haben - die nützen das in keiner Weise. Erklären Sie mir das! Damit müssen sich der Sozialminister und ich jetzt einmal beschäftigen - und dann ein AMS-Projekt starten.

STANDARD: Sie haben Aufträge um 1,6 Millionen Euro an externe Berater vergeben - zum Teil mit ÖVP-Nähe. Gibt es dafür eine andere Erklärung als Freunderlwirtschaft?

Mikl-Leitner: Das hat in keiner Weise damit zu tun. Jeder Auftrag wurde auf Punkt und Beistrich gemäß den Gesetzen vergeben.

STANDARD: Nicht alles, was recht ist, ist auch gerechtfertigt. Sie haben einen riesigen Apparat im Ministerium. Warum brauchen Sie da so viel Beratung außer Haus?

Mikl-Leitner: Weil es manchmal den Blick von außen braucht. Es ist billiger, gewisses Know-how zuzukaufen, als im Ministerium etwa eine eigene Marketingabteilung mit zwanzig Leuten zu unterhalten. Ein Beispiel ist das technisch komplizierte Personenstandsregister, für dessen Aufbau es eine externe Expertise braucht.

STANDARD: Es wird ja nicht nur ÖVP- ler geben, die das können. Wundern Sie sich da wirklich, dass Politiker unter den Generalverdacht der Korruption geraten?

Mikl-Leitner: Bei jedem Auftrag gibt es ein Sechsaugenprinzip, wobei unsere Spitzenbeamten die Kriterien festlegen. Ich gebe da keinerlei Empfehlung ab. (Gerald John/Nina Weißensteiner, DER STANDARD, 16./17.2.2013)