"Applaus teilt man selten, und deshalb muss man auch Kritik alleine bewältigen", sagt Verkehrsstadträtin Maria Vassilakou.

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STANDARD: Sie haben Frau Stenzel sehr glücklich gemacht.

Maria Vassilakou: Ganz ohne Ironie: Ja, das ist für mich immer ein besonderer Moment, wenn ich es schaffe, einen Bezirksvorsteher glücklich zu machen.

STANDARD: Im 1. Bezirk wird es bald Anrainerparkplätze geben, die für die Bewohner des Bezirks reserviert sind. Hat sich Stenzel durchgesetzt?

Vassilakou: Ich bin dem dringenden Wunsch vieler Wiener nachgekommen. Denn selbst wenn es in Bezirken Parkraumbewirtschaftung gibt, fehlen manchmal Parkplätze, betroffen sind zum Beispiel Areale rund um Theater. Wir mussten eine Lösung für die leidgeplagten Anrainer finden. Dass Frau Stenzel das als ihren Erfolg verbuchen will, ist nicht verwunderlich. Sie hat ja alles erfunden seit Galileo. Wahr ist allerdings, dass die Bezirksvorsteher des 6., 7. und 8. Bezirks die Pilotprojekte durchgeführt und mit mir die Weichen gestellt haben.

STANDARD: Frau Stenzel und Sie sind schon mehrmals aneinandergeraten. Zum Beispiel bei den Fahrradstreifen, die Sie grün eingefärbt haben. War da die Aufregung nicht programmiert?

Vassilakou: Ja, mir war klar, dass der eine oder andere Kleingeist sich an der Farbe stoßen wird. Dann nehmen wir halt Currygelb oder Magenta. Bei den Radwegen hängt mein Herz nicht an der Farbe Grün. Wir wollen mehr Sicherheit und folgen dem internationalen Trend: Radwege einzufärben, um sie besser erkennbar zu machen.

STANDARD: Momentan läuft die Testphase, erst später soll entschieden werden, ob die Fahrradstreifen flächendeckend eingefärbt werden. Ihre Einschätzung?

Vassilakou: Mir ist aufgefallen, dass die Farbe nicht gut riecht, sie stinkt sogar. Aber das lässt jetzt langsam nach. Positiv ist, dass die Streifen wirken. Durch die unterschiedliche Farbgebung wird den Fußgängern bewusst, dass hier ein Radweg ist.

STANDARD: Bei der Konferenz Velo-City, die in Wien stattgefunden hat, trafen Fahrradexperten aus vielen Ländern aufeinander. War die Konferenz ein Impulsgeber?

Vassilakou: Und ob! Ich habe immer gedacht, je mehr an Kilometern Radweg wir bauen, desto besser. Bei der Velo-City wurden mir die Augen geöffnet: Die beste Infrastrukturmaßnahme für den Radverkehr ist Tempo 30.

STANDARD: Sie wollen die Tempo-30-Zonen jetzt also ausweiten?

Vassilakou: In den Wohngebieten haben wir sie nun nahezu flächendeckend. Wir haben also optimale Bedingungen fürs Radfahren, obwohl wir die Maßnahme eigentlich wegen der Fußgänger und der Anrainer umgesetzt haben.

STANDARD: Andere Flächen werden folgen - Gürtel und Ringstraße mit Tempo 30?

Vassilakou: Man muss gezielt schauen, wo Tempo 30 eine gute Idee wäre. Wir starten im August mit Tempo 30 in der Burggasse, Neustiftgasse und Gumpendorfer Straße. Am Gürtel und Ring haben wir eigene Radverkehrsanlagen. Ergo brauchen wir das dort nicht. Wir müssen ja nicht gleich mit der großen Keule kommen.

STANDARD: Unangenehme Verkehrsfragen, die für viele Emotionen sorgen, sind grüner Zuständigkeitsbereich. Fühlen Sie sich von Ihrem Koalitionspartner SPÖ im Stich gelassen?

Vassilakou: Nein, ich spiele auch nicht für andere Stadträte Feuerwehr. Es steht jeder für seine eigenen Entscheidungen gerade. Applaus teilt man selten, und deshalb muss man auch Kritik alleine bewältigen. Verkehrsstadtrat ist keine Position, bei der man Everybody's Darling ist.

STANDARD: Die Pro-Erdogan-Demo in Wien-Favoriten rief Parteien aller Farben auf den Plan. 8000 Menschen gingen für den umstrittenen türkischen Premier auf die Straße. Was sagt Ihnen das?

Vassilakou: Was sagt es mir, dass 26 Prozent der Menschen in dieser Stadt für eine Partei gestimmt haben, die Proponenten in ihren Reihen hat, die ein nicht ganz geklärtes Verhältnis zum Nationalsozialismus haben? In der FPÖ gibt es antidemokratische Kräfte. In Erdogans AKP gibt es auch antidemokratische Kräfte. Weder das eine noch das andere finde ich gut. Aber wir leben in einer Demokratie.

STANDARD: Auch bei den Grünen hat das Thema zu Kontroversen geführt, man muss nur die Aussagen von Efgani Dönmez anschauen.

Vassilakou: Oft neigt man dazu zu sagen, Zuwanderer sind zu unterstützen, und man traut sich Entwicklungen, die im Argen liegen, nicht anzusprechen. Ich halte das für falsch und für noch einmal diskriminierend.

STANDARD: Aber deswegen muss man ja nicht gleich One-Way-Tickets in die Heimat verlangen.

Vassilakou: Dass das in dem Fall eine indiskutable Form war, Kritik anzubringen, steht außer Streit. Aber Efgani Dönmez hat sich dafür entschuldigt. Die Sache ist hoffentlich erledigt.

STANDARD: Ihr Landesparteisprecher Georg Prack hat Dönmez auf Twitter mit "Fuck you" geantwortet. Eine angemessene Reaktion?

Vassilakou: Nein. Wir sollten in der Politik auch ohne Fäkalausdrücke auskommen. (Bianca Blei/Rosa Winkler-Hermaden, DER STANDARD, 28.6.2013)