Churchill wurde zwar nicht 100, aber immerhin 91. Er war damit Vorbote der Ergrauung Europas. Die Bevölkerung wird schrumpfen und altern: Im Jahr 2050 werden 41 Prozent der Österreicher über 60 Jahre alt sein. Der "Altersquotient", also das Verhältnis von über 65-Jährigen zu 15 bis 64-Jährigen wird in Europa von 1:4 auf 1:1 steigen.
Steht ein Paradigmenwechsel, ja ein Siechtum der westlichen Welt bevor? Die kinderlose Gesellschaft gräbt sich selbst den Wohlstand ab: die Staatskassen leer, die Arbeitskräfte knapp, Investitionen unrentabel, das Sozialprodukt rückläufig. Eine Simulationsrechnung der EU zeigt: Wenn sich nichts ändert, sinkt das BIP pro Kopf bis 2050 um 19 Prozent. Umdenken ist angesagt:
- In der Politik. Im zarten Alter von 58,6 Jahren geht der durchschnittliche Österreicher in Pension - ein Tiefstrekord in Europa. Jenseits der Rentenreform geht es um Strukturveränderungen durch Geburtenförderung und Zuwanderung. Die weltweit begehrten jungen Talente sollen angezogen und integriert werden. Und es geht um längere Lebensarbeitszeiten und kürzere Ausbildungswege: Eine verkürzte Grundausbildung ergänzt durch lebenslanges Lernen ist die Antwort.
- In den Unternehmen. In Zeiten des Fachkräftemangels wird man weder auf Frauen noch auf "Silver Agers" verzichten können. Sie sind es, die "demografiefeste" Produkte entwickeln und vermarkten werden. Lee Iacocca, Ex-CEO von Chrysler, findet es lächerlich, einen 65-Jährigen automatisch in den Ruhestand zu schicken: "Wir sollten uns auf unsere älteren Führungskräfte stützen. Sie haben die Erfahrung."
- In den Medien. Die Konsumentengruppe über 50 hat im Schnitt 50 Prozent mehr Geld als die jüngere Bevölkerung. Bis 2010 wird sie über 57 Prozent des verfügbaren Einkommens und 75 Prozent des Vermögens verfügen. Erst seit kurzem werden diese mit "Senior Models" angesprochen - ob bei H&M, Nivea oder BA CA. Doch damit ist es nicht getan, denn es gilt, Dienstleistungen und Produkte der Zielgruppe anzupassen. So verkaufte NTT Docomo in Japan 200.000 Mal das einfache und komfortable "Raku-Raku-Handy".
- Bei den Menschen. Aktiv, kreativ und produktiv altern ist die Devise - das ist vor allem eine Frage der Einstellung. Laut OECD-Experten gibt es keinen biologischen Grund, ab 60 nicht zu arbeiten. Es gibt auch kaum einen Zusammenhang zwischen Alter und Produktivität - speziell in einer Wissensgesellschaft. Denn der fluiden Intelligenz der Jungen steht die so genannte kristalline Intelligenz der Alten gegenüber: "Altersweisheit" und emotionale Intelligenz kompensieren geringere Flexibilität und Reaktionsfähigkeit.
Viele Chancen eröffnen sich denjenigen, die dieses Umdenken bewältigen. In einer "Republik der Alten" ist allerdings ein Umdenken schwer - aber umso dringlicher. Laut OECD steht uns ein "Zeitfenster von zehn bis 15 Jahren" offen, bis die "Gerontokratie" jede Reform blockt.
Gelingt es uns, zum Alter eine so positive Einstellung zu finden wie Churchill und gleichzeitig mehr Junge anzuziehen, so wird Europa eine goldene Zukunft erleben. Da kann man nur mit den Philosophen hoffen, dass uns die geballte Altersweisheit weiterhilft.
Nachlese