Man könnte es erahnen: Hier leben Punks. Sie haben sich mit den Altparteien im Haus solidarisiert. 

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Wien - "Ich geh da sicher nicht freiwillig raus", sagt Paula. "Wir werden Widerstand leisten, wir lassen uns nicht rauswerfen", ergänzt Paul. Rechtlich ist mittlerweile alles klar: Die Berufung gegen den Räumungsbescheid ist abgelehnt. Mit Mittwoch ist der Bescheid rechtsgültig.

Die Mühlfeldgasse 12 im zweiten Bezirk ist Wiens einziges besetztes Haus. Im Grunde genommen ist der Hauseigentümer selbst schuld an diesem Zustand: Er hat die Punks vor zwei Jahren angeheuert, das Haus zu beziehen. Die Absicht war klar: Die Altmieter sollten von einem Haufen mutmaßlich wilder Punks hinausgeekelt werden. Doch es kam anders: Die neuen und die wenigen noch verbliebenen Hausbewohner fanden zusammen und solidarisierten sich. Widerstand formierte sich, Räumungsversuche wurden verhindert. Die "Pizzeria Anarchia" etablierte sich.

Vor der "Pankahyttn" angeworben

Angeworben wurden die potenziellen Störenfriede direkt vor der "Pankahyttn" im 15. Bezirk, einem bekannten und berüchtigten Wohnhaus, das die Gemeinde Wien den Punks zur Verfügung gestellt hat. Zwei Männer sprachen die Jugendlichen an, ob sie nicht Wohnplätze über den Winter brauchen könnten, da gebe es ein fast leer stehendes Haus in Wien-Leopoldstadt, in dem sie unterkommen könnten. Ein paar sagten zu, obwohl sie der Absicht des Hausbesitzers nicht trauten.

Die Castella GmbH hatte das Haus erworben, ein klassisches Spekulationsobjekt, schon ziemlich heruntergekommen. Drei Parteien wohnten noch im Haus, die ehemalige Pizzeria im Erdgeschoß stand leer. Die drei Parteien wurden von den neuen Hausbesitzern bedrängt: Sie sollten raus, das Haus sollte umgebaut, die Wohnungen verkauft werden. Die Punks sollten nachhelfen. In einer Gerichtsverhandlung erklärte einer der Gesellschafter der Castella GmbH die Anwesenheit der ungewöhnlichen Gäste so: Die Mieter "hätten sich überlegen sollen, ob das Haus noch wohnenswert ist im Zuge der Anwesenheit dieser Leute".

Eine Partei gab auf und zog aus, zwei Wohnungen sind noch von Altmietern belegt: Es sind ältere Herrschaften, die seit Jahrzehnten hier leben. In den restlichen Wohnungen machten sich die Punks breit und mit ihnen etliche Hunde: "Bummvoll" ist das Haus. Und ein Albtraum für die Eigentümer, die ihre Gäste nicht mehr loswerden.

"Wir müssen zusammenhalten"

Am Sonntag wird der Pizzaofen geheizt, der ist sogar vom Rauchfangkehrer abgenommen. Dann gibt es "Volxküche". Ab 17 Uhr ist Open House, Paula gibt als Berufsbezeichnung mittlerweile "Pizzabäckerin" an. Es gibt eine Fahrradwerkstatt im Haus, am Dienstag ist Kino, es gibt Diskussionsveranstaltungen, Vorträge und regelmäßig einen Karaokeabend. Der soll richtig lustig sein.

Manchmal kommen auch die regulären Mieter auf eine Pizza vorbei, diese Weihnachten hat man gemeinsam gefeiert. Eine Hausgemeinschaft hat sich gebildet, erzählt Paul, am Gang wird geplaudert, Neuigkeiten werden ausgetauscht. "Wir müssen zusammenhalten", sagt Paul.

Wenn es "ein Festl" gibt, dann werden auch die Nachbarn vorgewarnt, dass es lauter werden kann. "Es ist nicht so, dass man mit uns nicht reden kann", sagt Paula. "Es gibt ein paar, die uns nicht mögen", sagt sie, im Großen und Ganzen komme man mit den Leuten im Grätzel aber gut aus.

Die Frage nach der Gewalt

Im Sommer 2012 gab es den ersten Räumungsversuch. Der Hausbesitzer tauchte mit einem Bautrupp auf, Arbeiter versuchten, die ungebetenen Gäste vor die Tür zu setzen. Die Polizei fuhr vor, verhielt sich aber neutral. Der Räumungsversuch scheiterte. Es gab noch ein paar Vorfälle, mittlerweile lassen sich die Besitzer aber nicht mehr blicken. Beim nächsten Räumungsversuch wird wohl die Polizei dabei sein, diesmal mit einem gerichtlichen Auftrag.

Die Pizzabäcker wollen die Frage nach Gegenwehr nicht beantworten. Sie wollen die Räumung "so schwierig wie nur möglich machen". Ob sie auch Gewalt anwenden würden? Schweigen. "Wie definiert man Gewalt?", fragt Paula schließlich zurück.

Die Besetzer sehen ihr Engagement in dem Haus durchaus politisch, vielleicht ist nicht alles zu Ende gedacht. "Mehr Häuser für alle", fordert Paula, und Paul sagt, er ist dagegen, Miete zu zahlen, ganz prinzipiell. "Das ist doch Scheiße, wenn man ein Drittel oder die Hälfte seines Gehalts für die Miete ausgeben muss."

Am Mittwochnachmittag um 16 Uhr gibt es vom Haus weg eine Demo in eigener Sache, die Route führt quer durch den zweiten Bezirk und wieder zurück. "PizzA bleibt! Jetzt erst recht!", lautet das Motto. Am Sonntag soll dann wieder Pizza gebacken werden. (Michael Völker, DER STANDARD, 5.2.2014)