Elias Berner fand heraus, dass Nazis in Filmen oft mit Motorengeräuschen untermalt werden.

Foto: Jan Voß

Die Gedenkstätte Yad Vashem listet mehr als 1000 Filme über den Holocaust und den Nationalsozialismus, und auch wissenschaftliche Analysen gibt es dazu viele, "doch mit der Rolle der Filmmusik hat man sich dabei kaum beschäftigt", sagt der Musikwissenschafter Elias Berner. In seiner Dissertation, für die er ein Junior-Fellowship des Internationalen Forschungszentrum Kulturwissenschaften (IFK) erhielt, untersucht er, wie über Geräusche und Musik die Identitäten von Opfern, aber auch von Tätern und Täterinnen in deutschen, österreichischen und Hollywood-Produktionen konstruiert werden: Von Schindlers Liste – dem Film, der ab 1993 eine Popularisierungswelle auslöste – über deutsche TV-Produktionen wie Dresden bis hin zu Inglourious Basterds werden insgesamt 238 Filme analysiert.

Derzeit arbeitet der 32-Jährige an einigen zentralen Filmen musikalische Erkennungsmuster heraus. Ein Trend lässt sich dabei bereits festmachen: "Nazi-Täter werden häufig mit Motorengeräuschen untermalt", so der Doktorand am Institut für Musikwissenschaft der Uni Wien. Die Kulisse der Autos, Hubschrauber und Züge könnte einerseits auf eine Entmenschlichung der Täter hinweisen, sagt Berner, der auch Vermittler am Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) ist. "Andererseits ist es interessant, dass man die Täter auf der Soundebene weniger mit Blut und Erde in Verbindung bringt als mit Fortschritt, Massenvernichtung, Industrialisierung – und das übergreifend in sonst total verschiedenen Filmen."

Wenn den Nationalsozialisten Musik zugespielt wird, handelt es sich häufig um deutsche Schlager oder Marschmusik aus der damaligen Zeit. Hingegen erhält die Hauptfigur in Schindlers Liste – Oskar Schindler, ebenfalls ein Deutscher – unter anderem Tangos und polnische Musik. An einer Stelle, an der Oskar Schindler reflektiert, dass er noch mehr Menschen hätte retten können, behindert laut Berner die Filmmusik eine weiterführende Reflexion. Auch das ist eine Funktion von Filmmusik: "Sie kann ablenken, ist so etwas wie ein Kleister, der Schnitte verheimlicht, die Bewegungen wirken runder, die grausigen Dinge weniger grausig."

Szenen mit brutaler Gewalt werden selten mit Musik unterlegt – sogar wenn Musik zu hören war. So drehte die Freundin des sadistischen SS-Massenmörders Amon Göth laute Musik auf, um nicht zu hören, wenn er Zwangsarbeiter erschoss. In Schindlers Liste hingegen hält sie sich nur die Ohren zu, man hört die Schüsse. Bei seinem Vortrag am IFK – am Montag, dem 20. Juni – will Berner zeigen, wie die Szene mit zeitgenössischer Musik wirken würde.

Mit dem DÖW kam Berner, selbst auch Musiker und Komponist, in Berührung, als er die Lebensgeschichte seines Großvaters recherchierte, eines – wie sich herausstellte – NSDAP-Mitglieds, das später hinausgeworfen wurde. Auch neben seiner Forschungsarbeit führt er noch gelegentlich Gruppen durch die DÖW-Ausstellung: "Ich finde es wichtig, auf Kontinuitäten in der österreichischen Gesellschaft hinzuweisen und ein differenzierteres Bild aufzumachen – etwa zum Thema der Großeltern." Ab Oktober führt er seine Analysen an der Universität Hamburg als Assoziiertes Mitglied des Graduiertenkollegs "Repräsentationen der Shoah" fort. (Heidemarie Weinhäupl, 19.6.2016)