Günther Oettinger, bald EU-Haushaltskommissar, rutscht gern verbal aus.

Foto: APA / AFP / EMMANUEL DUNAND

Sein Porträt in der Galerie früherer Ministerpräsidenten Baden-Württembergs findet er "treffend", sagt Günther Oettinger. Das im Jänner aufgehängte Gemälde zeigt den CDU-Politiker, der 2010 nach Brüssel ging, vor einem türkisen Hintergrund – und mit einem aufgemalten Einschussloch links über seinem Kopf. Dass man "in der Politik auch mal Zielscheibe" ist, das hat der 63-Jährige auch jüngst wieder erfahren, als er vor Unternehmern von cleveren "Schlitzaugen" sprach und einer "Pflicht-Homoehe", der sich Berlin widme, statt sich um wichtigere Themen zu kümmern.

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Die auf Video aufgezeichnete Rede ist nicht die erste des amtierenden EU-Kommissars für Digitale Wirtschaft, die auf Youtube für Klickzahlen sorgt. Schon 2010, als er von Stuttgart in das Brüsseler Kommissionsressort für Energie wechselte, sorgte ein Ausschnitt für Aufsehen, in dem Oettinger eine Rede auf Englisch hielt – mit einer äußerst eigenwilligen Aussprache, die ihm auch außerhalb des deutschen Sprachraums schnelle Bekanntheit verschaffte.

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In Deutschland war sein Ruf, auf verbalem Parkett gern und häufig auszurutschen, da schon Legende. Ebenso wie jener, dass es der ehrgeizige Konservative trotzdem stets schaffe, auf der Karriereleiter nach oben zu fallen. So hatten ihm als Jungpolitiker Forderungen nach dem Rücktritt von Kanzler Helmut Kohl ("Führungsschwäche") und einem Fahrverbot für Motorräder ("unter dem Eindruck des Besuchs einer Unfallklinik") ebenso wenig geschadet wie später in der Karriere Einlassungen zu Medien ("scheiß Privat-TV") und zur deutschen Produktivität in Friedenszeiten ("Das Blöde ist, es kommt kein Krieg mehr").

Ernste Kritik gab es allerdings an seiner teils fehlenden Abgrenzung nach rechts – etwa als er in einer Rede 2007 seinen Amtsvorgänger Hans Filbinger, der in der NS-Zeit Marinerichter war, verteidigte. Erst nach einigen Tagen heftiger Kritik distanzierte sich Oettinger, einst Mitglied einer schlagenden Verbindung, von seinen Aussagen.

Ob der in seiner Heimat dennoch beliebte Oettinger 2010 den Schritt nach Brüssel gerne gemacht hat, ist umstritten. Bekannt ist aber, dass der geschiedene Vater eines Sohnes sich in der EU wegen seines Eifers Respekt erarbeitet hat – etwa bei Verhandlungen in der Ukrainekrise. Erst vor wenigen Tagen war der nächste Aufstieg der "verbalen Kalaschnikow" bekanntgeworden. Oettinger soll künftig Haushaltskommissar werden. (Manuel Escher, 30.10.2016)