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Von britischen Pflanzengenetikern entwickelte Tomaten mit dunklerer Färbung enthalten mehr Flavonoide, die als besonders gesund gelten. Sie sind – vor allem aufgrund der prohibitiven Auflagen – selbstverständlich nicht zugelassen.

AP

Boulder/Wien – Kennen Sie den Dunning-Kruger-Effekt? Dieses psychologische Phänomen geht auf eine Studie der beiden US-Psychologen Justin Kruger und David Dunning aus dem Jahr 1999 zurück, die damals entdeckten, dass relativ inkompetente Menschen die Neigung besitzen, das eigene Können systematisch zu überschätzen. Die Kompetenz anderer Personen wird dagegen stets unterschätzt.

Die Untersuchung trug den beiden Forschern im Jahr 2000 immerhin den satirischen Ig-Nobelpreis ein, und der nach ihnen benannte Effekt machte zumindest in der Populärpsychologie Karriere. Er wurde aber auch schon im Zusammenhang mit Klimawandelleugnern verwendet, die aufgrund dieser speziellen Form von Ignoranz gegenüber wissenschaftlichen Erkenntnissen allen Daten zur Erderwärmung misstrauen würden.

Nordamerikanische Forscher um Philip Fernbach (Leeds School of Business an der University of Colorado in Boulder) stießen bei Befragungen von rund 2.500 Europäern und US-Bürgern abermals auf dieses Phänomen – und zwar diesmal im Zusammenhang mit grüner Gentechnik. Für ihre Studie im Fachblatt "Nature Human Behaviour" erhoben die Psychologen und Marketingforscher im ersten Schritt, für wie gut die Testpersonen ihre eigenen Kenntnisse in dem Fachbereich einschätzten. Im zweiten Teil erhoben die Forscher dann anhand von Wissensfragen aus dem Bereich Genetik, wie gut die Befragten tatsächlich Bescheid wussten.

90 Prozent Ablehnung der grünen Gentechnik

Zudem wurden die Studienteilnehmer nach ihrer Haltung zu genetisch veränderten Organismen befragt. Obwohl unter Wissenschaftern weitgehende Einigkeit herrscht, dass gentechnisch veränderte Lebensmittel für den menschlichen Verzehr sicher sind und im Prinzip sogar das Potenzial hätten, gesundheitliche Vorteile zu bieten, lehnten mehr als 90 Prozent der Befragten gentechnisch veränderte Lebensmittel ab.

Das war aber nicht das wichtigste Ergebnis der Studie. Das bestand vielmehr in einem paradoxen Zusammenhang, den die Studienautoren entdeckten: Jene Befragten, die sich besonders entschieden gegen gentechnisch veränderte Lebensmittel aussprachen, gaben an, sehr viel über das Thema zu wissen. Zugleich schnitten sie bei den Wissenstests zu Genetik im Speziellen und Wissenschaft ganz allgemein am schlechtesten ab – der Dunning-Kruger-Effekt, wie er im (Lehr-)Buch steht.

Der Ignoranz ist schwer beizukommen

In den resümierenden Worten von Erstautor Philip Fernbach: "Extreme Ansichten stammen oft von Menschen, die das Gefühl haben, komplexe Themen besser zu verstehen als sie es tun." Eine mögliche Folge des Phänomens ist nach Ansicht der Autoren, dass jene Menschen, die am wenigsten über wichtige wissenschaftliche Themen Bescheid wissen, mit hoher Wahrscheinlichkeit ignorant bleiben werden – einfach deshalb, weil sie nicht offen sind für neues Wissen. Und sie suchen natürlich auch nicht danach, weil sie denken, ohnehin schon alles zu wissen.

University of Colorado Boulder

Die Gretchenfrage bestehe also darin, wie man Menschen dazu bringt, "das wertzuschätzen, was sie nicht wissen", wie Nicholas Light sagt, ein Co-Autor der Studie. Das bedeute aber auch, dass man bisherige Ansätze der Wissenschaftskommunikation überdenken müsse. Denn mit bloßer Aufklärung und dem Appell, der Wissenschaft und ihrer Art der Erkenntnisproduktion zu vertrauen, wird man an diese Personengruppe der radikalen Gentechnikgegner nicht (mehr) herankommen.

Klimawandel ist eher keine (Un-)Wissensfrage

Die Autoren der Studie befassten sich aber auch mit anderen Themen wie Gentherapie und Klimawandel. Während sich bei der Einstellung zur Gentherapie und dem Wissen darüber ganz ähnliche Muster zeigten wie bei der Gentechnik, so wichen die Befunde bei den Klimawandelleugnern ab: Hier scheint der Dunning-Kruger-Effekt, anders als die oben zitierte Studie nahelegt, gerade nicht zuzutreffen. Die Forscher nehmen vielmehr an, dass die politische Polarisierung und die Zugehörigkeit zu diesen Gruppen die Einstellungen der Menschen zum Klimawandel sehr viel stärker prägen als das (Nicht-)Wissen darüber. (tasch, 15.1.2019)