In Wien kommen alljährlich Abertausende zur Pride-Parade – die jetzt kurzfristig aufs Land übersiedelt.

Foto: Christian Fischer

Himberg / Wien – Schwule und Lesben, die sich als solche auch in der Öffentlichkeit zu erkennen geben, sind im niederösterreichischen Himberg dieser Tage Gesprächsthema. Anlass dafür sind die Berichte über Philipp V. (28) und Matthias F. (23): ein ortsansässiges Männerpaar, das sich nach mehreren Beschimpfungen auf offener Straße – "Ihr Schwuchteln!", "Mir kommt gleich das Speiben!" etc. – an den STANDARD gewandt hatte.

V. und F. schilderten empört, dass sich der Himberger Bürgermeister Ernst Wendl (SPÖ) von den homophoben und diskriminierenden Ereignissen auf "seinem" Gemeindegebiet unbeeindruckt gezeigt habe. Tatsächlich winkte Wendl, wie berichtet, auch im STANDARD-Gespräch ab.

Ortschef sah sich "machtlos"

Als Ortschef sei er machtlos, die grassierenden Vorurteile gegen Homosexuelle und Angehörige anderer sexueller Minderheiten (LGBTIQ) könne man "nur gesellschaftlich beantworten", sagte er.

Nun wird es eine solche gesellschaftliche – und noch dazu unübersehbare – Antwort in der 7000-Einwohner-Gemeinde Himberg aber schon in wenigen Wochen geben. "Die Organisatoren der heurigen Europride in Wien haben sich bei mir gemeldet. Gemeinsam werden wir in Himberg eine Regenbogenparade abhalten", sagte V. am Freitag. Nicht nur in der Großstadt, auch auf dem Land gelte es, "gegen homosexuellenfeindliche Vorurteile Zeichen zu setzen".

"Lebe gern in Niederösterreich"

Schon oft, so V., habe er den Rat gehört, mit seinem Verlobten doch nach Wien zu ziehen, wo es starke LGBTIQ-Communitys gibt. Diese Empfehlung nehme er jedoch nicht an: "Ich möchte nicht in der Großstadt wohnen, denn dort fühle ich mich nicht wohl." Vielmehr lebe er gerne in Niederösterreich "und bestimmt viele andere auch. Deshalb müssen wir hier etwas tun."

Katharina Kacerovsky, Geschäftsführerin der im Eigentum der Homosexuellen Initiative (Hosi) Wien befindlichen Stonewall GmbH und damit Organisatorin der Europride Vienna und der Vienna Prides, bestätigt die Himberger Regenbogenparadenpläne. Der Aufmarsch werde am 7. September stattfinden und unter dem Motto "Vienna Pride Goes Himberg" stehen.

Laufgruppen, Banner, Musik

"Wir werden für diesen Tag bei der zuständigen Behörde eine Demonstration anmelden, mit Laufgruppen, die Banner tragen, musikalischer Untermalung und einer Abschlusskundgebung", sagt Kacerovsky. Trucks, wie sie bei der Pride in Wien alljährlich über die Ringstraße defilieren, seien hingegen nicht vorgesehen.

"Die Wiener Prides ziehen von Jahr zu Jahr mehr Menschen an", sagt Kacerovsky: "Das macht LGBTIQ-Personen sichtbarer." Diese Entwicklung mobilisiere auch Ressentiments: "So etwas loszutreten und Betroffene dann alleinzulassen, wäre unverantwortlich" – zumal der Einzugsbereich der Wiener Prides auch die ländlichen Regionen sowie Teile Osteuropas umfasse.

Wendl schwächt ab

Auch Bürgermeister Wendl werde man zur Himberger Pride einladen und ihn um ein paar Worte bei der Abschlusskundgebung ersuchen, fügt der Hosi- Wien-Obmann Moritz Yvon hinzu: "Er meint, er wisse nicht, was er gegen homophobe Übergriffe tun könne. Hier hat er eine Möglichkeit."

Wendl war am Freitag für den STANDARD telefonisch nicht erreichbar. In einem am Freitag online gestellten Artikel des Lokalmediums meinbezirk.at sagte er, er habe "selbst homosexuelle Menschen in der Verwandtschaft und damit nicht das geringste Problem". Als Bürgermeister werde er in Sachen Antidiskriminierung "jetzt keine große Aktion starten", aber "gerne in persönlichen Gesprächen Akzeptanz einfordern".

Unzureichende Reaktion

Den Regenbogenparadenplan findet Wendl gut: "Ich wäre dabei, wenn es meine Termine zulassen." Für Matthias F. – einen der beiden von den homophoben Übergriffen betroffenen Männern – ist diese Reaktion nicht ausreichend. "Ein Bürgermeister muss in Sachen Akzeptanz mehr tun", sagt er. (Irene Brickner, 20.7.2019)