Babys werden weltweit gestillt – in Uganda soll aber auch bei Männern der Wunsch nach Muttermilch immer stärker werden.

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Sigmund Freud dürfte sich bestätigt fühlen. Eine gemeinsame Studie der Kyambogo-Universität in der ugandischen Hauptstadt Kampala und der britischen Universität von Kent will einem wachsenden Trend in der "Schweiz Afrikas" auf die Spur gekommen sein: dass immer mehr Männer die Muttermilch ihrer Partnerinnen trinken wollen.

Die Studie wurde von Ugandas Gesundheitsministerin Sarah Opendi ausgelöst, die vor zwei Jahren in einer Parlamentsrede "die wachsende Kultur" beklagt hatte, wonach "Männer von ihren Frauen verlangen, gestillt zu werden". Das werde "zu einem zunehmenden Problem sowohl für stillende Mütter wie für ihre Säuglinge": Für Letztere vor allem deshalb, weil die Ehemänner als Erste bedient werden wollen.

"Ich fühle mich wie ein Prinz"

Im Rahmen der Studie wurden Männer anonym befragt. "Wenn ich gestillt werde, fühle ich mich versorgt wie ein Kind", sagte einer der Teilnehmer: "Ich fühle mich wie ein Prinz." Ein anderer erzählt: "Es stärkt mich, wenn ich zum Mittagessen nach Hause komme. Es nimmt mir den Stress mitten in einem Arbeitstag." Den Berichten gemein ist die Auffassung, dass Muttermilch besondere Nährstoffe enthält: Sie soll auch gegen HIV, Krebs und Erektionsstörungen helfen. "Ein bloßer Mythos", entgegnet Gesundheitsministerin Opendi.

Problematisch wird es vor allem, wenn die Freiwilligkeit fehlt. Eine Frau berichtete von ihrer Furcht, ihren Mann zu verlieren, wenn sie ihn nicht gewähren ließe. Tatsächlich könne eine Frau nicht Nein sagen, bestätigt ein Befragter: "Man wird wie besessen und kann nicht aufhören. Wenn eine Frau Nein sagt, kann das zu Schlägen führen." Gelegentlich müssen Frauen mit entzündeten oder zerbissenen Brustwarzen einen Arzt aufsuchen, ist der vom britischen Guardian vorgestellten Studie zu entnehmen.

Keine Milch mehr für das Baby

Ein Problem kann die Praxis auch für jenen werden, für den die Milch eigentlich bestimmt ist: den Säugling. Die Befragungen hätten ergeben, dass Männer am liebsten vor den Babys gestillt werden, sagte die britische Verhaltensforscherin Rowena Merritt: "Und zwar mindestens einmal am Tag und bis zu einer Stunde lang." Danach sei für den Säugling möglicherweise keine Milch mehr vorhanden: Sie habe von Fällen gehört, wo Babys deshalb mit Milchpulver gefüttert werden mussten. Außerdem bestehe die erhöhte Gefahr, dass Säuglinge mit den Krankheiten ihrer Väter angesteckt würden.

Die Praxis soll außer in Uganda auch in Kenia und Tansania zu Hause sein. "Für mich besteht die Gefahr", so Merritt, "dass sie sich schließlich als Kultur und Tradition in die kommenden Generationen fortsetzt." Schon eine kurze Google-Recherche hätte die Verhaltensforscherin allerdings davon überzeugen müssen, dass die Praxis keineswegs auf Uganda oder den afrikanischen Kontinent beschränkt ist.

"Erotische Laktation"

Die "erotische Laktation", wie das Stillen erwachsener Männer wissenschaftlich genannt wird, ist in der ganzen Welt zu Hause. Schon die Römer erzählten sich die Geschichte von Pero, die ihren zum Tod durch Verhungern verurteilten Vater rettet, indem sie ihn von ihren Brüsten trinken lässt. Und der deutsche Philosoph Carl Buttenstedt beschrieb in seiner 1903 veröffentlichten Naturstudie Die Glücksehe – Die Offenbarung im Weibe das sexuelle Wohlgefühl, zu dem die erotische Laktation beiden Partnern verhelfen kann. Sein Buch wurde von den Nazis verboten.

Ob Sigmund Freud von der erotischen Laktation wusste, als er 1913 sein Buch Totem und Tabu verfasste, ist indessen nicht bekannt. Darin entwickelt der Wiener Psychoanalytiker erstmals seine umstrittene Theorie vom "Ödipuskomplex": die Vorstellung, dass drei- bis fünfjährige Kinder in einer Phase ihrer sexuellen Entwicklung ihr gleichgeschlechtliches Elternteil hassen und das gegengeschlechtliche begehren. Unter dem sozialem Druck des Inzestverbots wird das Kind schließlich zur Preisgabe der sexuellen Mutterliebe gezwungen – ein Prozess, der offenbar nicht immer und nicht ganz rückstandslos vonstattengeht. (Johannes Dieterich aus Johannesburg, 31.1.2020)