Wahlen mit Abstand.

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Auf dem Boden zeigten Klebestreifen, dass die Wähler eine Mindestdistanz von einem Meter zueinander einhalten sollen. Doch hier im siebten Wahlbüro von Cachan, einer Vorortsgemeinde von Paris, war die Vorsichtsmaßnahme überflüssig: Mangels Andrang entstand gar keine Warteschlange.

Aufgerufen zum ersten Durchgang der französischen Gemeindewahlen, waren viele Wahlberechtigte zu Hause geblieben. Die Stimmbeteiligung sank landesweit auf ein historisches Tief von rund 45 Prozent. In Cachan sah man vor allem ältere Personen, die sich in das Wahllokal bemühten – oder trauten. "Es ist schon auffällig, dass vor allem die wichtigste Risikogruppe ihre Bürgerpflicht am ehesten wahrnimmt", räumte der Vorsteher des Wahllokals ein.

Eigene Kugelschreiber

Am Eingang ließ er einen Behälter mit Desinfektionsgel aufstellen. Eine der seltenen Wählerinnen zückte ihren eigenen Kugelschreiber, um sich ins Register einzutragen. Das hatte Premierminister Edouard Philippe am Vorabend ausdrücklich erlaubt. Zugleich hatte er die seit Wochen erwartete Phase 3 der Virusbekämpfung ausgerufen. Restaurants und Bars bleiben in Frankreich ab sofort geschlossen.

Umso drängender fragen viele Franzosen, warum die Staatsführung an den Wahlen festhielt. In den sozialen Medien gab es Hashtags wie #ReportezLesMunicipales – vertagt die Gemeindewahlen. Bei allen Franzosen scheint die Gefahr noch nicht angekommen zu sein: Unweit vom Wahllokal in Cachan entstanden am Sonntagmorgen durchaus Warteschlangen – vor dem Tabakladen "Petit Robinson" oder vor der Bäckerei "Croissant Doré". Den Sicherheitsabstand von einem Meter hielt niemand ein. Premier Philippe musste am Wochenende gar an seine Landsleute appellieren, "mehr Disziplin" zu zeigen. Ein Ärztekollektiv warf der Regierung darauf vor, sie verwässere mit dem Festhalten an den Wahlen ihre eigene "Botschaft", dass man sich besser schütze solle.

Zweiter Wahlgang fraglich

Ob der zweite Wahlgang in einer Woche stattfinden wird, ist angesichts der heftigen Kritik zunehmend fraglich. Die Absage würde eine Menge politischer wie juristischer Probleme aufwerfen – namentlich die Frage, ob die Resultate des ersten Wahlgang gültig wären. Landesweit zeichnet sich die Tendenz ab, die bestehenden Bürgermeister wiederzuwählen. Diese konservative Haltung könnte sich teilweise mit der aktuellen Unsicherheit und Krisenstimmung erklären.

Laut dem Umfrageforscher Brice Teinturier könnte Präsident Emmanuel Macron das erwartete Fiasko an der Wählerfront vermeiden. Die Grünen befanden sich am Sonntagabend vielenorts im Aufwind. Auch das rechtspopulistische "Rassemblement National" von Marine Le Pen könnte erstmals wichtigere Städte wie etwa Perpignan erobern. Die Urnen der meisten größeren Orte waren allerdings bei Redaktionsschluss noch nicht ausgezählt.

Kommunalwahlen in Bayern

Die Diskussionen in Bayern vorab verliefen ähnlich. Auch die CSU steht stark unter Druck. Viele bayrische Wählerinnen und Wähler entschieden sich, dafür auf Briefwahl umzusteigen. In der bayerischen Landeshauptstadt München zeichnete sich am Vormittag deshalb sogar eine Überraschung ab: Bisher haben sich mehr Menschen an der Kommunalwahl beteiligt als zuletzt vor sechs Jahren. Nach Angaben der Stadt München hatten am Sonntag bis 10 Uhr einschließlich der Briefwähler 31,5 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme in der bayerischen Landeshauptstadt abgegeben. 2014 waren es zum selben Zeitpunkt 26,3 Prozent. (Stefan Brändle aus Cachan, red, 15.3.2020)