Mussten sich zuletzt viel Schelte gefallen lassen: Die kulturverantwortlichen Regierungsmitglieder Werner Kogler und Ulrike Lunacek von den Grünen.

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Den kritischen bis erbosten Reaktionen auf die Pressekonferenz der kulturverantwortlichen Regierungsmitglieder Werner Kogler und Ulrike Lunacek (Grüne) vom Freitag schließen sich auch die freien Theater an. Gerade die kleineren Bühnen seien es, die mit einer 20 Quadratmeter-pro-Person-Regel kaum proben können. In einem Brief an die Regierung fordert daher die IG Freie Theater ein Auflockern dieser Regel, hält zugleich aber fest, dass die ebenfalls gebotene Ein-Meter-Abstandsregel umsetzbar sei.

In einem weiteren offenen Brief, der bisher unter anderen von Karl-Markus Gauß, Karl Markovics, Renate Welsh und Marlene Streeruwitz unterzeichnet wurde, werden konkrete Forderungen wie etwa "realistische Vorgaben und Bedingungen mit fixen Datumsangaben" zur Wiederaufnahme des Kulturbetriebs gestellt.

"Statt Akzente zu setzen, die der jetzigen Situation angemessen sind", reagiere die Politik "mit vagen Ankündigungen und Vertröstungen auf spätere Zeitpunkte und verlässt sich darauf, dass Kunst, Kultur und der Sport sich selber helfen und wenn und wo nicht, dass soziale Unterstützungsmaßnahmen greifen, die vorne und hinten nicht genügen", heißt es in dem Brief.

Vizekanzler Kogler hatte am Dienstag angedeutet, dass man zumindest von der 20-Quadratmeter-Regel noch abrücken könnte, vertröstete aber für eine Entscheidung auf Mitte Mai.

Gutscheinmodell für Kulturtickets

Gearbeitet wird im Hintergrund derzeit an vielen Baustellen, seit Wochen etwa an einer praktikablen Lösung für bereits gekaufte Tickets. Nach aktuell gültiger Gesetzeslage hat jeder Konsument das Recht, bei Verschiebung oder Absage eines Events das Geld für seine Karte zurückzufordern. Als Alternative bieten viele Kulturveranstalter nun von sich aus an, statt einer Kostenerstattung einen Gutschein für einen späteren Zeitpunkt in Anspruch zu nehmen.

Auf freiwilliger Basis funktioniert das in Teilbereichen schon gut, etwa bei freien Theatern, wie es heißt. Vertreter der kommerziell orientierten Veranstaltungsbranche machen allerdings Druck auf die Regierung, dass die rechtliche Verpflichtung auf Rückerstattung zugunsten eines Gutscheinmodells fällt: Konkret schlägt die neu gegründete IG Veranstaltungswirtschaft vor, einen Zeitrahmen festzulegen, innerhalb dessen Tickets per se in Gutscheine umgewandelt werden und eine allfällige Rückerstattung erst dann erfolgen muss, wenn der Gutschein auch nach Ablauf dieser Zeit nicht konsumiert wurde.

370 Millionen Euro Schaden für Veranstalter

Der Branche, die durch die Absagen von Großevents bis 31. August hart getroffen wird, entgeht laut eigenen Berechnungen bei einer Kartenmenge von 5,5 Millionen ein Umsatz von 370 Millionen Euro. Die IG regt an, sich an Deutschland zu orientieren, das bereits auf Gutscheine setzt. Lunacek ließ verlautbaren, dass man nur noch an der genauen Ausgestaltung des Modells arbeite.

Man wolle etwa eine soziale Ausdifferenzierung, damit in Härtefällen Kostenrefundierung dennoch erfolgen kann, und es soll garantiert sein, dass durch etwaige Insolvenz eines Veranstalters niemand auf seinem Gutschein sitzen bleibt. Kritik gibt es von Konsumentenschützern: Sie pochen darauf, dass die Umwandlung in Gutscheine freiwillig bleibt. "Ich kann die Leute ja nicht zwingen, weil letztlich die Menschen den Unternehmen einen Kredit gewähren, das wäre aber Aufgabe des Staats", sagt Thomas Hirmke vom Verein für Konsumenteninformation.

Kritik, dass der Kulturbranche in der Corona-Krise zu wenig geholfen werde, gibt es aber nicht nur in Österreich, sondern auch in anderen Ländern. So sei etwa der Mitte März von der französischen Regierung verkündete Notplan von 22 Millionen Euro nicht einmal ein Tropfen auf den heißen Stein, wie es heißt. Auch ein angekündigter Solidaritätsfonds von einer Milliarde Euro reiche nicht.

1.000-Euro-Modell für Künstler in Bayern

Einen neuen Vorstoß bei der finanziellen Unterstützung für Künstler gibt es in Bayern: 1.000 Euro bedingnungslos soll es dort drei Monate lang für jeden der 30.000 in der Künstlersozialkasse erfassten Kulturschaffenden geben. Mit Interesse beobachtet man das auch beim heimischen KünstlerInnensozialversicherungsfonds (KSVF), dem etwa 16.000 Künstler angehören. Aktuell wird dort jeder Antrag einzeln geprüft, ehe man in der ersten Phase 500 bis 1.000 Euro auszahlte. Unbürokratischeren Lösungen wäre man immer aufgeschlossen, heißt es auf Anfrage, aber letztlich sei auch das eine politische Entscheidung.

Der SPÖ-Kultursprecher und frühere Kulturminister Thomas Drozda sieht Lunacek und Kogler unter gehörigem Zugzwang: Ein Grundfehler sei aus seiner Sicht gewesen, dass man die "Künstler quasi weggelegt hat, zur Administration über die Wirtschaftskammer". Diese habe nämlich "keine Ahnung davon, was Künstler brauchen". Sinnvoller habe er, Drozda, den Vorschlag von IG-AutorInnen-Sprecher Gerhard Ruiss gefunden, "viel mehr Finanzhilfen über die Verwertungsgesellschaften auszuschütten".

Das bayerische 1.000-Euro-Modell hält Drozda, "wie auch vieles andere, das international diskutiert wird, für überlegenswert". Er selbst hatte in seiner Zeit als Minister mit der Überlegung, ein bedingungsloses Grundeinkommen bei Kulturschaffenden "zu testen", eine Kontroverse ausgelöst. Bei Künstlern, die laut Studien im Schnitt um die 1.000 Euro monatlich verdienen, aber auch bei anderen Berufsgruppen sei Grundeinkommen aber gerade jetzt ein überlegenswertes Modell. (Stefan Weiss, 22.4.2020)