Bekannter Bariton und Verhandler: Georg Nigl.

Anita Schmid

Was er bei seiner Vertiefung in die Materie an Verträgen zu lesen bekommen habe, "war sagenhaft! Es gibt ein hoch subventioniertes Haus in Wien, das den Sängern vorschreibt: Wenn Sie während der Probenphase zu- oder abnehmen, müssen Sie die Änderungen an den Kostümen selbst bezahlen!", so Georg Nigl mit heiterer Bitterkeit. "Wir werden eine Lesung veranstalten, damit die Leute etwas zum Lachen haben."

Bariton Nigl, einer der international gefeierten Advokaten vor allem der Moderne, hat nun grundsätzlich auch bessere Laune. Seit dem Shutdown befasst er sich mit Tenor Wolfgang Ablinger-Sperrhacke und Anwalt Georg Streit mit den monetären Aspekten abgesagter Aufführungen und kann verkünden: "Durch Verhandlungen mit der Holding und dem Bund ist es gelungen, Auflösungsverträge für die Kollegen zu erwirken", was bedeute:

Für ausgefallene Vorstellungen an Staats- und Volksoper wird an jene, die keine fixen Ensemblemitglieder sind, Geld fließen. "Das Ganze orientiert sich am Kurzarbeitsgeld. Die niedrigen Gagen bekommen möglichst viel, die hohen einen geringen Anteil." Es ging zuvor darum, dass die Bundestheater rechtlich keine Handhabe hatten und haben, "die Dienstverträge der freien Dienstnehmer ohne Erlaubnis des Subventionsgebers auszuzahlen."

Hilfe vom Holdingchef

Die Entrüstung über den Auszahlungsstop wegen höherer Gewalt war im März groß. "Deshalb sind wir quasi mit Guerilla-taktik ,einmarschiert‘ und haben gesagt: ,Wir reden jetzt!‘ Ohne Holdingchef Christian Kircher wäre allerdings nichts herausgekommen", meint Nigl und referiert Fakten, die allerdings auf weiteren Klärungsbedarf schließen lassen: "Laut einer Studie dominiert zu 80 Prozent die Selbstständigkeit als Beschäftigungsform. 14 Prozent der Kollegenschaft wechseln zwischen selbstständiger und unselbstständiger Tätigkeit", nur fünf Prozent seien fest angestellt.

"Für die Freiberuflichen und die kurzfristig Beschäftigten ist aber nie geklärt worden, ob das eine selbstständige oder unselbstständige Tätigkeit ist. Es scheint, dass Klärung nicht gewollt oder verschlampt wurde. Das fällt uns jetzt auf den Kopf."

Nicht sehr oft im Jet

Wenig hilfreich sei auch der Glaube, die SängerInnen "würden mit dem Jet eingeflogen und gleich ins Imperial kutschiert. Das geht weit an der Realität vorbei. In der Selbstdarstellung tut auch die Klassik natürlich immer noch so, als wäre sie fürstlich ausgestattet. Wir selbst waren also zu lange nachlässig", so Nigl, der ein bisschen leiser treten will.

"Um die Klärung des Status der Selbstständigen und Unselbstständigen werde ich mich weiter kümmern." Er brauche jedoch mehr Wissen, damit "ich im Herbst, wenn es, wie versprochen, zu Gesprächen mit der Regierung kommt, weiß, worum es geht. Ich bin hartnäckig, mich bekommt keiner vom Tisch, die Sache muss geklärt werden! Sie betrifft auch Dirigenten, Tänzer, Schauspieler und Filmleute."

Ob es schadet?

Möglich, "dass ich mir mit dem Engagement geschadet habe und manche sagen: ,Mit den Querdenker wollen wir nichts mehr zu tun haben.‘ Heikle Situation. Du willst ja mit denen weiterarbeiten und sie hoffentlich auch mit dir. Aber zur Kunst gehört auch, gegen Bestehendes anzurennen."

Darüber wird er wohl auch mit Regisseur Frank Castorf reden, mit dem er arbeitet; hierzulande hört man ihn bei den Innsbrucker Festwochen: "Der einzige Termin, der gerettet wurde! Ich singe in der C-Dur-Messe von Beethoven, dessen Jubeljahr durch Corona zerzaust wurde. Im Dezember kommt die Staatsopern-Fledermaus." Mit welchem Vertrag? "Es ist einer für kurzfristig Beschäftigte, er wurde vor der Krise unterschrieben, die Klausel von der höheren Gewalt ist noch drin." Ein zweiter Shutdown wäre also auch aus diesem Grund eher unpraktisch. (Ljubiša Tošić, 12.6.2020)