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Brigitte Schwaiger (1949–2010) in ihrer Wohnung in Wien. Die Aufnahme ist undatiert.

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Etablierte Kollegen wurden rasch auf das Talent der jungen Autorin aufmerksam. Der erste Text von Brigitte Schwaiger wurde 1974 in der Kulturzeitschrift Neue Wege, deren Literaturseiten Peter Henisch betreute, veröffentlicht: ein Auszug aus einem Manuskript mit dem Arbeitstitel "Situation in Prosa". Im Alter von 25 Jahren gelang Brigitte Schwaiger damit der Einstieg in die Welt der Literaten.

Jeannie Ebner, Redakteurin von Literatur und Kritik veröffentlichte dann im Juli 1975 ein Kapitel aus dem Werk. Erstmals mit dem später berühmten Titel: Wie kommt das Salz ins Meer. Henisch berichtet, dass er "den S.-Fischer-Verlag auf Brigitte Schwaigers Text aufmerksam machte, man war dort durchaus interessiert". Auch Friedrich Torberg, der damalige Doyen der österreichischen Literatur, erkannte die schriftstellerische Begabung von Brigitte Schwaiger. Er brachte die junge Autorin rasch zu Zsolnay, wo ihr erster Roman 1977 erschien.

Wie kommt das Salz ins Meer bot für die Leser eine Art von moderner Anagnorisis: "Mutter nahm die Fleischstücke aus der Pfanne. (...) Dieses Stück für Vater? Nein, für Vater das magere. Er mag kein Fett. Wer sagt, dass ich kein Fett mag? Warum gibt es keine Suppe? Also, sagte Mutter, wenn ich zu diesem Fleisch eine Suppe mache, dann fragst du, warum ich eine Suppe gemacht habe. Und wenn es keine gibt, dann fragst du, warum ich keine Suppe gemacht habe!", so gewährte Brigitte Schwaiger einen Einblick in die täglichen Spannungen einer österreichischen Kleinfamilie.

Beschädigte Kommunikation

Besser konnte man die Methode des "Double Bind" nicht vorführen. Paul Watzlawick beschrieb dieses Dilemma in seinem Werk Die Möglichkeit des Andersseins als beschädigte Kommunikation. Watzlawick, 1921 in Kärnten geboren, dann Ausbildung am C.-G.-Jung-Institut in Zürich, forschte und lehrte dazu in Palo Alto und Stanford, Kalifornien.

Double Bind löst emotionale Belastung aus und bedeutet die Herstellung einer ausweglosen Situation, die nur noch jenseits von Ja und Nein beantwortet werden kann, wie in einem Koan des japanischen Zen. Brigitte Schwaiger fand die Lösung, wie ein Meister des Zen, im ausgeschlossenen Dritten. In ihrem Weg mit Literatur.

Mit dem Roman Wie kam das Salz ins Meer verdiente Brigitte Schwaiger nach eigenen Angaben 1977 eine Million Schilling (72.672 Euro), "dann verteilt auf 20 Jahre noch insgesamt 2,5 Millionen Schilling" (181.682 Euro). Weitere Romane waren ebenfalls erfolgreich.

Regina Steinicke vom Rowohlt-Verlag nannte uns die Verkaufszahlen: Mein spanisches Dorf knapp 100.000 verkaufte Exemplare mit drei Auflagen, Der Himmel ist süß 30.000 verkaufte Exemplare mit vier Auflagen, Malstunde 10.000 verkaufte Exemplare und Die Galizianerin 14.000 verkaufte Exemplare.

Weitere Bücher von Brigitte Schwaiger erschienen zwischen 1989 und 2000 beim Verlag LangenMüller, der auf Anfrage keine Verkaufszahlen nennen möchte. Doch kann man vom wirtschaftlichen Erfolg ausgehen, da der Verlag zehn Bücher auf den Markt brachte.

Endogene Depression

Beim Wiener Czernin-Verlag erschienen die letzten Werke von Brigitte Schwaiger: Fallen lassen über ihre Erfahrungen mit der Psychiatrie wurde 2006 veröffentlicht. Ihre Memoiren Wenn Gott tot ist erschienen nach ihrem Tod. Der Leiter des Czernin-Verlags erklärt, dass grundsätzlich keine Verkaufszahlen genannt werden.

Nachdem ein Psychiater bei Schwaiger eine "endogene Depression" diagnostiziert hatte, wurden die Einnahmen der Autorin von einem Sachwalter übernommen. Am 6. Juli 2009 schrieb sie an das Literaturhaus Wien: "Sehr geehrte Herrschaften! Ich habe kein Geld! Brigitte Schwaiger".

Die Autorin war zuvor mit dem Literaturhaus mehrfach in Kontakt gewesen, um ihre Situation zu schildern, in die sie durch Sachwalterschaft geraten war. Noch am 8. April 2009 verfasste Schwaiger einen Brief an den Direktor des Literaturhauses Wien. Sie ersuchte ihn um 40 Euro.

Ungeklärte Verlassenschaft

Zehn Jahre nach ihrem Tod ist die Verlassenschaft von Brigitte Schwaiger noch immer nicht geklärt. Das Bezirksgericht in Wien-Fünfhaus bestellte im Juni 2012 einen Verlassenschaftskurator, der die Verwertung des Werkes der Autorin besorgen soll. Und das, obwohl rechtmäßige Erben vorhanden wären.

Ihr Sohn Michael wurde im November 1987 geboren und war ihr "Lebensinhalt", wie Brigitte Schwaiger schrieb. Er wurde vom Jugendamt der Stadt Wien in ein Heim gebracht, als sie in die Psychiatrie kam. Sollte ihr Sohn das Erbe nicht erhalten, so wäre noch bei drei Schwestern von Brigitte Schwaiger ein Anspruch zu nennen.

Literarisch wirkte Brigitte Schwaiger sehr anregend auf die nächste Generation von Schriftstellerinnen. Für Gertraud Klemm beispielsweise war sie eine wichtige Begleiterin ihres literarischen Schaffens: "Für mich hat Brigitte Schwaiger ein Tor zum autobiografischen Schreiben geöffnet, das sich nicht hinter althergebrachten Denkmustern verstecken muss. Sie hat tabulos und mutig geschrieben, über frauenbiografische, vom Bewertungsbetrieb geächtete Themen", konstatiert Gertraud Klemm, die an der Wiener Schule für Dichtung lehrt.

Am 13. Juni 2002 trat Brigitte Schwaiger noch in Klagenfurt auf. Sie wurde vom P.E.N.-Club Kärnten eingeladen. Es war ihre letzte öffentliche Lesung. Insgesamt war sie gut in die österreichische Kulturlandschaft integriert. Doch im November 2002 kam sie in die psychiatrische Klinik, die in Wien unter dem Namen Steinhof bekannt ist.

Wenn Gott tot ist

In der Anstalt kam Brigitte Schwaiger nochmals in Berührung mit dem Gesprächsverhalten des Double Bind: "Jedenfalls spielte ich eine Zeitlang Vermittlerin zwischen Netzbettinsassinnen und dem Pflegepersonal, bis ein Pfleger mich bat, solcher Vermittlerdienste zu unterlassen", berichtete Schwaiger in Fallen lassen. Friedrich Torberg, der Mentor, riet Brigitte Schwaiger einst: "Wir brauchen keine Psychiater", wie sie in ihren in ihren Memoiren Wenn Gott tot ist erzählt.

Die Anstalt war auch anderweitig unter Kritik geraten, und der Gemeinderat der Stadt Wien sah sich im Februar 2008 gezwungen, eine Kommission einzusetzen, die Vorfälle in der psychiatrischen Klinik untersuchen sollte. Der Bericht wurde im Februar 2009 vorgelegt: "Gravierende Missstände in der Versorgung von psychiatrischen PatientInnen im Verantwortungsbereich der Gemeinde Wien" (19. 2. 2009, 44 Seiten).

In der Psychiatrie verabreichte man Schwaiger schwere Medikamente: "Ein Pulverl gab er mir gegen Schlafstörungen, dazu eins, das die Nebenwirkungen des Pulverls beseitigen würde, dazu noch etwas Drittes", berichtete sie.

Das ist die typische Medikation in Kombination mit dem Neuroleptikum Haloperidol. Diesem wird ein zweites Medikament beigegeben, etwa Carbamazepin, um Muskelzuckungen abzuschwächen, die durch die Medikation ausgelöst werden. Haloperidol blockiert die Aufnahme von Dopamin. In der Psychiatrie werden auch Mittel eingesetzt, die Serotonin ausschalten. Die "Glückshormone" Serotonin und Dopamin können als das biologische Fundament der schöpferischen Arbeit gelten.

Auf der Roten Liste

Neuroleptika werden in der Psychiatrie auch unter dem Begriff "chemische Fixierung" eingesetzt. Haloperidol steht auf der "Roten Liste" der Arzneimittelinformation für Deutschland. Mit dem Hinweis: "Achten Sie auf schwerwiegende Nebenwirkungen."

Ernste Depressionen können ausgelöst werden und Gedanken an Suizid, auch aufgrund der schlechten Allgemeinverfassung, die durch das Präparat induziert wird. Brigitte Schwaiger berichtete, dass sie dadurch unter Bewegungsstörungen leide, konzentrationsgestört und depressiv sei. Sie habe "nicht mehr das Gefühl, eine Schriftstellerin zu sein".

Schließlich fand man Brigitte Schwaiger am 26. Juli 2010 im Donaugewässer. Dann Sensengasse 2, zur Gerichtsmedizin, Obduktion. Die Stadt Wien gewährte ein Ehrengrab. Auf dem Wiener Zentralfriedhof, Gruppe 40, Nummer 72. (Johannes Schütze, 25.7.2020)