Achtung: Aufgrund der Corona-bedingten Einreisebeschränkungen musste Klavierstar Fazil Say bei "Herbstgold" leider kurzfristig Absagen!

Borggreve

Das Burgenland ist schon auch ein Land der Wunder. Lange Jahre war es unmöglich, die Landeshauptstadt nach 20.30 Uhr auf dem Schienenweg in Richtung Wien zu verlassen. Selbst schuld, wenn wer herkommt! Mittlerweile kann man bis 21.30, am Wochenende sogar bis 22.30 Uhr in Eisenstadt verweilen und findet doch noch aus diesem schmucken Städtchen fort. Ein Wunder ist geschehen!

Lange Jahre – ach was: jahrzehntelang – fanden im Herbst im Eisenstädter Schloss Esterházy die Haydntage statt. Vor wenigen Jahren wunderte man sich darüber, dass das hochkarätige Festival des Schlosses verwiesen wurde; es vagabundierte noch kurz durch die Lande, um bald in aller Stille sein Ende zu finden. Seinen Platz im Schloss und im Terminkalender nimmt seit 2017 das Festival Herbstgold ein.

Erinnert der Name mehr an eine Autobiografie von Thomas Gottschalk oder an ein Comeback-Album von Howard Carpendale? Die Entscheidung fällt schwer. Jedenfalls offeriert das Festival neben viel Haydn auch Jazz, "Balkan & Roma Sounds"; ein zweitägiges "Kulinarikfestival" ist in das zwölftägige Musikfestival auch noch mit eingebaut.

Unlängst wurde der Geiger Julian Rachlin als neuer künstlerischer Leiter des Festivals (ab 2021) präsentiert. Der zukünftige Herbstgold-"Schmied" ist aber auch heuer schon mit von der Partie und führt seinen Geigenbogen, um mit Pianist Johannes Piirto Beethoven zu präsentieren (15. 9.).

Pianist schreibt für Cello

Zwei Tage zuvor kann man einer Uraufführung beiwohnen: Nicolas Altstaedt interpretiert zusammen mit der Haydn Philharmonie Fazil Says Cellokonzert Şahmaran, zusätzlich zu Beethovens achter und Haydns 63. Symphonie (La Roxelane) sowie Mozarts A-Dur Klavierkonzert KV 414. Dieses wiederum spielt Pianist Fazil Say selbst. Bei Konzerten des türkischen Künstlers, der auch schon einmal mit der Regierung seines Landes in Konflikt gerät, wird man auch mit einem Entertainer konfrontiert (13. 9.).

Doch schon zu Beginn des Festivals vermag man sich von der Exzellenz und der Lebendigkeit des Musizierens der Haydn Philharmonie überzeugen: Unter der Leitung von Altstaedt und mit hochkarätigen Solisten sowie dem Arnold Schoenberg Chor wird nach Haydns Symphonie Hob. I:30 (Alleluja) Beethovens C-Dur Messe aufgeführt (9. 9.).

Ein weiterer möglicher Höhepunkt der Reihe: die halbszenische Aufführung von Haydns Oper L’incontro improvviso. Dirigentin Michi Gaigg wird ihr L’Orfeo Barockorchester leiten, Manuela Kloibmüller ist für die Regie verantwortlich (18. 9.). Die Aufführung findet, so wie die meisten anderen Konzerte, unter Corona-Schutzmaßnahmen im Haydn-Saal des Schlosses Esterházy statt. Wundervoll? Wahrscheinlich.

(Stefan Ender, 8.9.2020)