"Bereits mit dem GD vereinbart": ORF-Stiftungsratschef Norbert Steger in einer Nachricht an FPÖ-Funktionäre über geplante Besetzungen bei ORF.at.

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Stephanie Krisper, die Fraktionsführerin der Neos im Ibiza-Untersuchungsausschuss, will ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz und ÖVP-Stiftungsräte in den U-Ausschuss laden. Anlass: Eine Chatnachricht von Stiftungsratschef Norbert Steger (FPÖ) über eine "Übereinkunft mit der ÖVP" und eine entsprechende Vereinbarung mit ORF-General Wrabetz, wie die Chefredaktion und die Geschäftsführung der ORF-Onlinetochter (ORF On) zu besetzen sei.

Der in der Nachricht genannte, demnach mit der ÖVP vereinbarte Kandidat ist STANDARD-Leserinnen und -Lesern bekannt: Im Mai 2019 berichteten wir, dass ORF-Dokuchef Gerhard Jelinek Wunschkandidat der ÖVP von Sebastian Kurz für die Chefredaktion von ORF.at sei. Jelinek erklärte damals auf Anfrage, er wisse davon nichts und gehe mit Ende Oktober 2019 in Pension.

Besetzungsliste für ORF.at

Das "Profil" berichtete am Donnerstag als erstes Medium unter anderem über diese Chatprotokolle, ohne die Namen zu nennen. Jelinek sollte laut Stegers Nachricht für eineinhalb Jahre Chefredakteur von ORF On werden, seine Stellvertreterin und Nachfolgerin eine "Kurier"-Redakteurin. Als Geschäftsführer für die ORF-Onlinetochterfirma wird in der Nachricht ein früherer FPÖ-Mitarbeiter genannt, der inzwischen bei einer Außenwerbefirma arbeitet.

Die Chatprotokolle stammen laut "Profil" aus dem Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft zu den Casinos. Am 8. Mai 2019, eine Woche vor Bekanntwerden des Ibiza-Videos, schrieb ORF-Stiftungsratsvorsitzender Steger demnach unter anderem an Heinz-Christian Strache, Norbert Hofer, Markus Tschank, Markus Braun (ORF-Stiftungsrat der FPÖ) und Johann Gudenus, wie mit einer Information über Besetzungs-"Vereinbarungen" vom damaligen Kabinettchef Herbert Kickls im Innnenministerium "umzugehen ist". Steger bat Vilimsky und Straches Kabinettsmitarbeiter Philipp Trattner "um Mitteilung, wie damit umzugehen ist, denn nach unserer Vereinbarung werden Personal Entscheidungen bei Trattner gebündelt und nach Prüfung an Franz Maurer weitergegeben, bevor interveniert wird." Maurer war Fraktionsführer der FPÖ im ORF-Stiftungsrat.

"Bereits mit dem GD vereinbart"

Von Kickls Kabinettchef bekam Steger die Nachricht: "Liebe Euch! Mit ÖVP folgende Übereinkunft bezüglich orf online getroffen", es folgen die Namen für Chefredaktion, Stellvertreterin und Geschäftsführung. Steger schreibt in der auch dem STANDARD vorliegenden Nachricht: "Jelinek ist bereits mit dem GD vereinbart." Gemeint offenbar: ORF-Generaldirektor Wrabetz.

"Übereinkunft bezüglich ORF online"

Neos-Abgeordnete Krisper erklärt dazu per Aussendung: "Es ist unfassbar, mit welcher Dreistigkeit unter der Regierung Kurz I Posten verschachert wurden. Dass die Aufsichtsratsjobs in staatsnahen Betrieben nicht nach Qualifikation, sondern nach dem Schlüssel 2:1 zwischen der ÖVP und der FPÖ aufgeteilt wurden, hat der U-Ausschuss ja bereits zutage gefördert. Und jetzt haben wir Schwarz auf Weiß, dass sich ÖVP und FPÖ auch ausgedealt haben, wer im ORF die Chefposten bekommt. Und dass ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz anscheinend bei diesen Vereinbarungen mitgemacht hat."

Es gelte nun zu klären, mit wem in der ÖVP Stiftungsratschef Steger "die Übereinkunft bezüglich ORF online getroffen hat", erklärt Krisper: "Um das herauszufinden, werden wir wohl den ÖVP-Freundeskreis im ORF-Stiftungsrat sowie Herrn Wrabetz in den U-Ausschuss laden müssen, sobald uns die Akten vorliegen."

Für die Ladung in den U-Ausschuss braucht es ein Viertel der Abgeordneten, die Neos können also darüber nicht alleine entscheiden. Die Ladungsliste für den Untersuchungsausschuss ist bis April erstellt. (fsc, fid, 15.10.2020)