Die Putin-Nähe von Dirigent Valery Gergiev veranlasste den Oppositionellen Alexej Nawalny, ein Einreiseverbot in die EU zu verlangen.

Foto: MAXIM SHIPENKOV

Es ist und bleibt widersprüchlich: Kunst passiert innerhalb der Gesellschaft und steht unter ihrem Einfluss, zugleich definiert sie sich nur durch sich selbst. Von der Politik – die sich nicht einzumischen hat – wird sie ermöglicht, gefördert, be- oder verhindert.

Der russische Oppositionelle Alexej Nawalny hat kürzlich von der EU verlangt, dem Dirigenten Valery Gergiev wegen seiner Putin-Nähe die Einreise zu verbieten. Der umjubelte, auch in künstlerischer Hinsicht zuweilen umstrittene Chef der Münchner Philharmoniker tritt in dieser Saison insgesamt achtmal im Musikverein auf, auch im Rahmen eines eigenen Zyklus.

Der Widerspruch bleibt: Es kann irritierend sein, wenn Künstler von Machthabern vereinnahmt werden. Es wäre aber problematisch, sie an ihrer Arbeit zu hindern – genauso problematisch, wie politische Aspekte mit künstlerischen Urteilen zu vermischen.

Corona hat dazu geführt, dass vormals Alltägliches nicht mehr als selbstverständlich gilt – auch so etwas wie ein Konzert. Im Musikverein sind alle sehr bemüht, die – schon wieder – neuen Regeln umzusetzen: getrennte Eingänge, permanente Maskenpflicht, kontrolliertes Verlassen des Saales. Das funktionierte beim pausenlosen, gestrafften Abokonzert der Wiener Philharmoniker am Samstagnachmittag noch nicht ganz.

Zu hundert Prozent gelang jedoch die Kommunikation zwischen Dirigent und Orchester: Traumhaft schimmerte und glänzte Debussys Prélude à l´après-midi d´un faune mit einem Flötensolo wie aus einer anderen Welt. Es war, als ob Karl-Heinz Schütz dadurch mit atmender Freiheit und Lebendigkeit den Ton für das ganze Konzert angegeben hätte, als ob sich danach das poetische Ganze entfalten würde.

Zugleich straff geführt als auch voller herrlicher solistischer Initiativen war auch Strawinskys Feuervogel: flirrender, jubelnder philharmonischer Sound at its best. (Daniel Ender, 18.10.2020)