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Lange war sie Sektionschefin, seit Mai ist Andrea Mayer Staatssekretärin und damit oberste Kulturpolitikerin des Landes. Ihre SPÖ-Mitgliedschaft hat sie ruhend gestellt.

Foto: Reuters/Foeger

Sie gilt als Expertin, nicht als Parteipolitikerin: Seit Mai schupft Andrea Mayer auf dem Ticket der Grünen das Kulturstaatssekretariat. Die Künstlerproteste sind seither weitgehend verstummt. Die Rückkehr zur Normalität wird aber noch länger dauern.

STANDARD: Sie meinten, dass Sie erst in der Saison 2022/23 mit einem Normalbetrieb des Kulturlebens rechnen. Wie sieht die Zeit bis dahin aus?

Mayer: Es wird dauern, bis alles wieder so funktioniert wie vor der Pandemie. Bis die Mobilität wiederhergestellt ist und die Touristen wiederkommen. Viele von ihnen kommen wegen der Kultur nach Österreich.

STANDARD: Sie rechnen mit einem fortgesetzten Auf- und Zusperren der Kulturbetriebe?

Mayer: Nein, es gilt alles zu vermeiden, was neuerliche Lockdowns notwendig macht. Ich denke, dass spätestens ab dem Sommer wieder ein normales Kulturleben möglich sein wird, in dem Sinne, dass die Häuser geöffnet haben und man Kultur live erleben kann. Die Aussage mit dem Normalbetrieb bezog sich auf völlige Normalität ohne jegliche Einschränkungen.

STANDARD: Wird man dann dort anknüpfen, wo man vor der Pandemie aufgehört hat?

Mayer: Nein. In der Kulturbranche arbeiten kreative Menschen, die auf die Veränderungen reagieren werden. Vielleicht setzen wir mehr auf Qualität als auf Quantität, vielleicht weniger auf Eventcharakter, vielleicht gibt es weniger Produktionen, und die sind besser bezahlt, vielleicht tauschen die Häuser in Österreich ihre Produktionen mehr aus.

STANDARD: Theater und Opernhäuser produzieren, als ob es keine Pandemie gäbe. Sollten sie zurückhaltender agieren?

Mayer: Ich mische mich nicht in Spielpläne ein. Aber wir werden uns auch in der Kulturbranche auf die neuen Gegebenheiten einstellen müssen. Mir ist aber wichtig, dass auch im Lockdown geprobt werden kann. Wenn wir wieder öffnen, braucht es Programme und Produktionen, die man zeigen kann. Auch bei den Museen stellt sich die Frage, ob wir uns dieses Jahr kostspielige Ausstellungen leisten. Vielleicht kann man auch einmal die Kunstschätze unserer Museen verstärkt in den Vordergrund rücken.

STANDARD: Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder sagt, dass Minister Werner Kogler und Sie ihn ausdrücklich gebeten haben, im kommenden Jahr zwei große Publikumsausstellungen zu zeigen.

Mayer: Bei diesem Austausch ging es um die Frage, was man sich in dieser schwierigen Zeit leisten kann. Wir haben dafür plädiert, auf den Kostenfaktor zu schauen, und da hat uns der Herr Direktor zugestimmt. Was das konkret für ihn bedeutet, das muss er beurteilen.

STANDARD: Planbarkeit ist bei Museen wie Theatern wichtig. Werden Sie kommende Woche verkünden, wie es im Jänner weitergehen wird?

Mayer: Das habe ich der Kulturbranche zugesagt, dazu stehe ich, und das werden wir auch so machen.

STANDARD: Nehmen wir an, dass die Theater im Jänner aufsperren dürfen. Ist es realistisch anzunehmen, dass in die Staatsoper wieder 1.000 Leute dürfen? Das gab es in ganz Europa nicht.

Mayer: Die hervorragenden Sicherheitskonzepte der Theater haben das ermöglicht. Unsere Aufgabe jetzt ist es, für die nächsten Öffnungsschritte praxistaugliche Konzepte zu erarbeiten. Bitte um Verständnis, dass ich zum jetzigen Zeitpunkt keine Zahlen nennen kann.

STANDARD: Die Infektionszahlen deuten darauf hin, dass man die Besucherzahlen drosseln wird.

Mayer: Vielleicht ist es besser, länger zuzusperren und dann mit der Möglichkeit für mehr Besucher aufzusperren. Wir tauschen uns darüber gerade aus.

STANDARD: Staatsoperndirektor Bogdan Roščić hat vorgeschlagen, die Besucher zu testen.

Mayer: Solange es so ist, dass man für die Tests medizinisches Personal vor Ort braucht und man nicht weiß, wie man mit den positiv Getesteten verfährt, ist das schwierig. Aber wir werden im Wochenrhythmus mit neuen Entwicklungen konfrontiert. Vielleicht tut sich auch bei diesen Fragen etwas, dann halte ich auch Tests für eine Möglichkeit.

STANDARD: Sie haben heuer 220 Millionen zusätzlich zum Kulturbudget in die Hand genommen. Rechnen Sie im kommenden Jahr mit einem ähnlichen Betrag?

Mayer: Wir werden sehen, wie lang die Pandemie noch dauert. Wir haben aber dafür Sorge getragen, dass verschiedene Töpfe wie der NPO-Fonds, der Härtefallfonds, der Überbrückungsfonds oder der Covid-19-Fonds ins kommende Jahr gezogen werden. Bei Letzterem werden wir analog zum Lockdown-Bonus noch einmal 500 Euro ausschütten.

STANDARD: Der Lockdown-Bonus bei der SVS wurde auf 2.000 Euro erhöht. Wenn jemand 1000 Euro monatlich aus dem Überbrückungsfonds bekommt, kommt er im Dezember auf 3000 Euro netto, steuerfrei. Fürchten Sie keine Übersubventionierung?

Mayer: Das stimmt so nicht, die 2.000 Euro beziehen sich auf November und Dezember. Zusammen mit dem Überbrückungsfonds kommt man damit auf 4.000 Euro für zwei Monate. Das halte ich für keine Übersubventionierung. Die Verhältnismäßigkeit habe ich immer im Auge.

STANDARD: Diese Woche wurde bekannt, dass die Salzburg-Dependance des Belvedere auf Schiene ist. Ist es klug, in der jetzigen Situation ein 30-Millionen-Euro-Projekt anzugehen?

Mayer: Das ist eine Landes-Investition, dem Bund entstehen keine Kosten. Auch in schwierigen Zeiten ist es sinnvoll zu investieren. Es geht da auch um eine Ankurbelung der Wirtschaft. Ich finde die Kooperation positiv und sehe sie als Bereicherung für das österreichische Kulturleben.

STANDARD: Im Belvedere sank der Eigendeckungsgrad von 80 auf 37 Prozent. Beim Salzburg-Projekt setzt man auf Touristen. Ist es sinnvoll, die marktwirtschaftliche Orientierung der Museen fortzuschreiben?

Mayer: In allen Leistungsvereinbarungen mit den Bundesmuseen steht, dass die Museen auch das österreichische Publikum gewinnen sollen. Im Sommer haben wir mit der günstigen Sommercard für die Bundesmuseen einen Impuls genau in diese Richtung gesetzt, der auch sehr gut angenommen wurde. In der Museumspolitik werden wir weiter diesen Weg gehen. Wenn die Touristen wiederkommen, ist es wichtig, gute Angebote zu haben. Ich bin sicher, dass sich auch die Salzburger über das Haus freuen werden.

STANDARD: Die Corona-Krise funktioniert wie eine Lupe. Sie hat gezeigt, wie abhängig manche Museen von Touristen sind. Und sie hat eine Zweiklassengesellschaft in der Kultur offenbart: jene, die Festanstellungen haben, und die Freien. Was wird gegen dieses Ungleichgewicht getan?

Mayer: Deswegen war und ist es in der Pandemie so wichtig, die freischaffenden Künstler zu unterstützen. Aber ich gebe Ihnen recht, dass die Themen Arbeitsbedingungen und Bezahlung durch die Krise akut geworden sind. Aus diesem Grund habe ich eine Fair-Pay-Initiative aufgesetzt.

STANDARD: Dazu gab es auch schon unter Ihren Vorgängern Arbeitsgruppen. Was soll sich konkret ändern?

Mayer: Das Wichtigste ist, dass wir diesen Prozess jetzt gemeinsam mit den Bundesländern und auch unter Einbindung der IGS betreiben. Wir diskutieren unter anderem über Honoraruntergrenzen, darüber, dass Produktionen durch die Bundesländer touren. Mit dem zusätzlichen Geld, das wir im Kulturbudget für 2021 bekommen haben, werden auch Fair-Pay-Maßnahmen bezahlt. Die Maßnahmen werden im Frühjahr präsentiert. Und sie werden innerhalb kürzester Zeit umgesetzt. (Stephan Hilpold, 11.12.2020)