Der ORF startet eine Offensive und sendet ab 26. Februar Theateraufzeichnungen, unter anderem aus dem Burgtheater – etwa "Die Bakchen" von Ulrich Rasche. Details werden am Donnerstag bekanntgegeben.

Foto: Andreas Pohlmann

Heute kann man sein Theater zu Hause aufdrehen wie das Fernseh- oder das Radiogerät. Aus pandemischen Gründen ist das Streamen derzeit der einzig gangbare Weg zu einer Theatervorstellung. Trotz Vorbehalten lassen sich Theater nun doch vermehrt zum Streamen hinreißen. Pitch me ... I’m streaming, also etwa "Schlag mich, aber ich streame jetzt", nennen etwa The English Lovers ihre kommende Show.

Der Motivationsgrad beim Onlinetheater ist allerdings verschieden. Während das Schauspielhaus Bochum bis März sechs Inszenierungen live gespielt und gesendet haben wird und auch andere Bühnen in Berlin oder München senden, ist das Gebaren vergleichbarer Häuser in Österreich verhalten. Warum streamt das Burgtheater nicht?

Schiefe Vergleiche

Was kann Bochum, das Wien nicht kann? Was kann ein Theater im Lockdown vom Streamen abhalten? Es ist kompliziert, und Eins-zu-eins-Vergleiche oft schief. Generell ist die Begeisterung fürs Digitale enden wollend. Das soll Netzexperimente wie Die Maschine in mir im Burg-Kasino nicht schmälern.

Warum also kann das Burgtheater nicht wie das Schauspielhaus Bochum eine Aufführung der Größe von King Lear, Iwanow oder Drei Mal Leben live streamen? Es sind mehrere Gründe. Zunächst galten in Österreich bisher kürzere Planungsfristen und lebte damit die Hoffnung, bald aufsperren zu können. Das Burgtheater hat zuletzt vier Spielpläne entwickelt, alle umsonst, so Pressesprecherin Sabine Rüter.

Dagegen ist das Schauspielhaus Bochum bereits im Herbst auf eigene Faust vorgeprescht und hat ausgewählte Aufführungen für die Kamera adaptiert. Dafür sind zusätzliche Proben vonnöten, die wiederum das Burgtheater nicht leisten kann, da sich die Belegschaft seit November in Kurzarbeit befindet und es folglich keine Kapazitäten gibt, Bühnenbilder über den derzeit minimalisierten Probenbetrieb hinaus auf- und abzubauen.

Finanzieller Aufwand

Auch Bochum befindet sich in Kurzarbeit, die aber bedarfsorientiert angepasst werden kann, so Sprecher Alexander Kruse. Der finanzielle Aufwand, so betonen alle, fällt weniger ins Gewicht. Technisches Investment (Kameras, Mikros), personelles Know-how und Rechteabgeltung wären auch bei laufendem Betrieb notwendig. Auch dass sich beim Streamen die Einnahmen in Grenzen halten, sei kein Argument.

Idealerweise kann man kostendeckend produzieren, sagt Katrin Schurich, Leiterin des Theaters Drachengasse. Es gäbe im Netz bereits viele brauchbare Gratisprogramme zum Videomischen. Die nächste Eigenproduktion wird gleich fürs Netz konzipiert: die deutschsprachige Erstaufführung von (R)Evolution von Yael Ronen und Dimitrij Schaad (12. März). Auch das Volkstheater, dessen Intendant Kay Voges als Experte für Digitalität und Theater gilt, hält gebührlich Abstand vom Stream. Bis auf Die Recherche-Show in der Bezirke-Nebenschiene ist bisher keine Onlineverwertung geplant.

Getrennte Probenpools

Zurück zum Schauspielhaus Bochum, dessen Livestream-Vorstellungen laut Koordinator Stefan Kriegl ab 400 Zuschauern kostendeckend bilanzieren. Der Publikumszuspruch sei bisher groß gewesen, auch weil Bochum Stars wie Sandra Hüller und Jens Harzer im Talon hat. Dagegen hat das Burgtheater das Nachsehen, da sich durch die abgebrochene erste Saison Martin Kušejs viele Ensemblemitglieder noch gar nicht richtig vorstellen konnten.

Das im Herbst 2019 neu gestartete Haus ist trotz einiger Übernahmen aus München immer noch dabei, ein Repertoire aufzubauen, und will die Premieren in Warteschlange nicht online verpulvern. So ähnlich denkt wohl auch Neointendant Kay Voges am Volkstheater.

Aus Publikumssicht ist das eine herbe Bilanz, wenn man sieht, wie andernorts mit bis zu sieben Kameras live gestreamt wird. Geht da wirklich nicht mehr? Das Burgtheater winkt ab, auch wegen der Corona-bedingt streng getrennten Probenpools. Nachher soll es schließlich ein Feuerwerk an Premieren geben – mit gesundem Ensemble.

Näher dran

Bochum ist inzwischen fest entschlossen, den Livestream auch nach dem Ende der Pandemie weiterzuführen. Bizarrerweise lässt sich schlussfolgern, so Kriegl, dass wir als Theater trotz der gebotenen Distanz und dazwischengeschalteten Technik "noch nie so nah dran waren am Publikum". Der Traffic auf den Social-Media-Kanälen sei schlagartig in die Höhe gegangen, ebenso die Menge an Zuschriften. Und darüber hinaus, so Kriegl, sei Livepublikum aus Kolumbien oder aus Wien auch nicht zu verachten.

Zum Burgtheater öffnet sich vorerst aber immerhin eine Tür, und zwar die des ORF. Es wird im Frühling Theateraufzeichnungen geben. (Margarete Affenzeller, 18.2.2021)