Zwei Jubilare: Christoph Grissemann (links) und Dirk Stermann feiern 500 Ausgaben von "Willkommen Österreich".

Foto: ORF/Hans Leitner

Wien – Am Dienstag heißt es um 22 Uhr in ORF 1 zum bereits 500. Mal "Gags, Gags, Gags". Dirk Stermann & Christoph Grissemann bitten dann zur Jubiläumssendung ihrer ORF-Talkshow "Willkommen Österreich", die im Jahr 2007 begann, aber kaum gealtert ist. Dem STANDARD beantwortete das Duo – schriftlich – Fragen zum Beziehungsstatus, Peter Klien und ob es Stefan Petzner noch einmal einladen würde.

STANDARD: 2017 haben Sie, Grissemann, in einem STANDARD-Interview gesagt: "Ich würde mir wünschen, dass es noch etwa drei Jahre weitergeht. Dann hätte ich meine Schäfchen im Trockenen und könnte von der Bildfläche verschwinden." Jetzt, fast vier Jahre später, feiern Sie die 500. Ausgabe von "Willkommen Österreich": Ist die Lust noch ungebrochen, die Sendung zu machen?

Grissemann: Die Schäfchen sind noch nass. Ich muss auf jeden Fall noch ein paar Jahre dranhängen. "Ungebrochene Lust" ist es tatsächlich nicht, aber ich würde es vielleicht als "gebrochene Lust" bezeichnen, um das Wort "Hassliebe" zu vermeiden.

STANDARD: Sie treten seit den frühen 90er-Jahren gemeinsam auf. Wie schaffen Sie es, dass die Chemie zwischen Ihnen nach so vielen Jahren noch stimmt, oder führen Sie ohnehin nur mehr eine Scheinpartnerschaft für die Kameras und das Geld?

Grissemann: Absolute Scheinpartnerschaft. Privat sind es kaum mehr Worte als: "Guten Morgen." Allerdings gibt es auch keine Übergriffe körperlicher Art. Das ist so eine Art gemütlicher Waffenstillstand.

Stermann: Wir führen nur mehr eine Scheinpartnerschaft für die Kameras und das Geld. Das ist in vielen Ehen nicht anders, nur ohne Kameras.

STANDARD: Man hat das Gefühl, dass der Ton zwischen Ihnen rauer geworden ist. Täuscht das?

Grissemann: Der Ton zwischen Stermann und mir ist immer den Umständen angepasst. Aber es mischt sich wohl einiges an Altersbosheit in die Sprache.

Stermann: Manchmal täuscht das, manchmal nicht. Ich kann oft selber nicht mehr sagen, was stimmt und was nicht.

STANDARD: Die guten Quoten sprechen dafür, noch lange weiterzumachen, oder?

Grissemann: Absolut. Wobei man aufpassen muss, es kommt ja immer auf den Kontext an. ORF 1 hat gerade leichte Konzentrationsprobleme bezüglich Massenbegeisterung. Unter den Blinden ist der Einäugige ...

Stermann: Ja, zumal 500 Sendungen ja nur ein Anfang sein können.

STANDARD: Warum funktioniert "Willkommen Österreich" seit beinahe 15 Jahren so gut? Weil nicht viel geändert wird?

Grissemann: Ich glaube tatsächlich, dass die ewig gleichen Wendungen Sicherheit und Ruhe gerade in diesen Zeiten spenden. "Ich darf Sie bitten, die Nachbarn aus dem Bett zu läuten" habe ich jetzt etwa 350-mal gesagt. 100-mal sag ich's noch, dann wird wieder nachgedacht.

Stermann: Akzeptanz durch Penetranz und Redundanz.

STANDARD: Im August 2021 wird ein neuer oder alter ORF-Generaldirektor gewählt. Haben Sie die Befürchtung, dass die Sendung dann nicht mehr ins "Programmschema" passen könnte und abgesetzt wird?

Grissemann: Fernsehen ist ein Schleudersitzmedium. Ich erwarte die Absetzung wöchentlich.

Stermann: Nein, Befürchtungen habe ich beruflich keine. Da schon eher bei Arztdiagnosen.

STANDARD: Soll Alexander Wrabetz ORF-Chef bleiben?

Grissemann: Ich kann über Herrn Wrabetz nur das Beste sagen. Ich hatte drei, vier kurze, sehr angenehme Begegnungen mit ihm. Ich bin mir sicher: Es kommt nix Besseres nach. In diesem Sinne: klares Ja.

Stermann: Von mir aus gerne, ich erlebe ihn als angenehmen Chef, der uns nicht in unsere Arbeit hereinredet, sondern vertrauensvoll machen lässt.

STANDARD: Welche ORF-Kolleginnen oder -Kollegen, die Sie auf die Schaufel nehmen, sind böse auf Sie?

Grissemann: Ich wüsste nicht, wer böse sein sollte. Das sind ja alles Kollegen mit Selbstironie. It's just a joke.

Stermann: Böse sind manchmal Kollegen, die nicht vorkommen.

STANDARD: 2017 haben Sie gesagt, dass für Sie ein Wechsel zu einem Privatsender – wie etwa Servus TV – nicht infrage kommt. Bleibt das dabei?

Grissemann: Definitiv. Ein Senderwechsel kommt einer Selbstaufgabe und Verwahrlosung gleich. Dann wechsle ich lieber zum Zirkus. Pinguindressur.

Stermann: Ich bin öffentlich-rechtlich, fast schon genetisch. Privatsender, mit Ausnahmen und kleinen Inseln, sind mir nicht sehr sympathisch. Und Servus TV? Da müsste ich mit dem Betriebsratschef lange Verhandlungen führen, wenn es einen gäbe. Und unter einem Intendanten Wegscheider arbeiten? Das könnte die Handlung eines Albtraums sein.

Stermann & Grissemann.
Foto: ORF/Hans Leitner

STANDARD: 500 Sendungen: Welcher Gast bleibt besonders in Erinnerung, weil er der Beste, Lustigste oder Eloquenteste war?

Grissemann: Mir gefallen die wunderlichen, charismatischen Schweigenden am besten. Anja Plaschg und Georg Friedrich zum Beispiel.

Stermann: Roger Willemsen gewinnt da in fast allen Kategorien.

STANDARD: Gibt es viele Interventionen?

Grissemann: Interventionen gab es in 14 Jahren keine. Obwohl es, bei Gott, verständlich gewesen wäre. Wenn manche Kollegen von Zensur sprechen, muss ich sehr schmunzeln.

Stermann: Nein.

STANDARD: Wen würden Sie nicht mehr einladen? Stefan Petzner?

Stermann: Ja.

Grissemann: Es gilt das Prinzip: Auf irgendwas am oder im Gast sollte man sich freuen. Wenn's schon nicht das Gesamtwerk ist, dann vielleicht die schöne Nase. Die Petzner-Einladung ist mir bis heute ein Rätsel. Ich war komplett dagegen. Damit muss der Rest der Redaktion und auch Stermann leben: Sie wollten einen Rassisten einladen.

STANDARD: Aktive Politiker würden Sie nie einladen, mit Stefan Petzner oder kürzlich Christian Kern sind aber immer wieder einmal Ex-Politiker zu Gast. Käme etwa ein Heinz-Christian Strache als Gast infrage?

Grissemann: Er hat keine schöne Nase, und das Gesamtwerk ist übel: Also nein.

Stermann: Nein.

STANDARD: Welchen Gast hätten Sie gerne in der Sendung?

Grissemann: Einen Kräuterpfarrer hätte ich gern. Ich weiß nämlich bis heute nicht, was das genau ist.

Stermann: Vielleicht mal eine Florettfechterin. Muss aber nicht sein.

STANDARD: Wie sieht es mit Marko Arnautovic aus? Der ist zwar selten in Österreich, und wenn, dann hat er wohl nicht viel Zeit. Aber arbeiten Sie noch daran, ihn in die Sendung zu bekommen?

Grissemann: Arnautovic ist sehr willkommen. Ich arbeite gerade privat mit seiner Drei-Liter-Ginflasche. Schmeckt.

Stermann: Wir arbeiten seit Jahren an seinem Besuch. Ich würde mich sehr freuen. Der ÖFB hat versprochen, die Zusammenarbeit mit uns zu verstärken. Klar, jetzt, wo sie im Stadion keine Zuschauer haben, müssen sie umdenken.

STANDARD: Über wen oder was würden Sie sich nie lustig machen?

Grissemann: Keine Witze über Alkohol! Irgendwas muss einem ja heilig bleiben.

Stermann: Ernst Grissemann.

STANDARD: Peter Kliens "Gute Nacht Österreich" liegt vorerst auf Eis und könnte im Herbst mit neuem Konzept auf einer neuen Plattform wieder auf Sendung gehen. Er könnte aber auch einfach zu Ihnen zurückkommen, oder?

Grissemann: Herr Klien hat das Format, auf eigenen Beinen zu stehen. Wenn ich ihm allerdings die Miete sichern müsste, dann kann er jederzeit bei uns machen, was er will.

Stermann: Ich weiß nicht genau, wie es bei Peter weitergeht, aber ich denke mal, er würde es als Abstieg betrachten, wieder von vorn anzufangen.

STANDARD: Was halten Sie von Jan Böhmermanns Neustart im Hauptkanal ZDF?

Grissemann: Nie gesehen. Immer mal vorgenommen, aber immer kam was dazwischen. Ist aber sicher toll.

Stermann: Ich bin immer wieder erstaunt, wie viel Energie Jan hat. Mir wär das alles zu anstrengend. Man will ja auch mal ein Buch lesen.

STANDARD: Hoffen Sie, dass Norbert Hofer noch lange eine Rolle in der Politik spielt, weil er sich so gut parodieren lässt?

Grissemann: Ich fürchte, Hofer ist ausparodiert. Er kann sich also gern zurückziehen. Ich danke ihm und hab ihn sehr gern.

Stermann: Ist Ihnen aufgefallen, dass Hofer sich ständig neu stylt? Als würde er vor Grissemanns Parodie davonlaufen. Aber als ORFler drücke ich jedem Politiker und jedem Team die Daumen, dass es noch lange weitergeht.

STANDARD: Wie viele Kleinwüchsige protestieren wegen der Herbert-Kickl-Parodie?

Grissemann: Ich bin selbst nur drei Zentimeter größer als Kickl. Das sind aber wichtige drei Zentimeter. Kleinwüchsige haben noch nicht in der Redaktion demonstriert. Vermutlich reichen die Finger nicht zum Liftknopf.

Stermann: Kein Einziger.

Willkommen Österreich - Fankanal

STANDARD: Dass es Herbert Kickl gibt, dafür sind Sie – zumindest beruflich – auch dankbar, oder?

Grissemann: Gruselig ist wirklich, dass ich in zwei Minuten Kickl bin. Perücke, Brille, fertig. Auch kein Kompliment für mich.

Stermann: Ich bin mir nicht sicher.

STANDARD: "Österreich"-Herausgeber Wolfgang Fellner soll ja aufgrund der Fellner-Parodie nicht besonders amused sein. Spornt das noch mehr an?

Grissemann: Für Herrn Fellner brauch ich in der Maske deutlich länger. Stattlicher Mann. Es spricht für ihn, dass er diese Karikatur erträgt.

Stermann: Ich finde, Grissemann parodiert ihn großartig. Es ist mir eine Freude, ihm dabei zuzusehen. Ich kann nicht einmal mich selber parodieren. Ob Fellner die Parodie nicht mag? Ich weiß nicht, er wirkt, als würde er Kummer in sich hineinfressen.

STANDARD: Lesen Sie wirklich in der Badewanne?

Grissemann: Ja sicher. Ich lese täglich in der Badewanne. Das kann ich nur jedem empfehlen. Es ist ja sonst eher langweilig in der Wanne.

STANDARD: Wann glauben Sie, bei der Corona-Impfung an die Reihe zu kommen?

Grissemann: Nachdem ich zu Recht zu den Systemirrelevantesten gehöre, rechne ich mit einem Impftermin im Oktober. Ist aber okay, ich reiße mich nicht drum. (Oliver Mark, 5.4.2021)