Wolfgang Brandstetter ordnete das Justizministerium neu und ließ einen Fahrer beim Hearing eines Spitzenbeamten dabei sein.

Foto: APA/Harald Schneider

Rund ums Verfahren gegen Exjustizminister Wolfgang Brandstetter – heute Mitglied des Verfassungsgerichtshofs – werden nun auch interessante Postenbesetzungen aus seiner Ära bekannt. Gegen den WU-Professor und Verteidiger ermittelt die Staatsanwaltschaft Innsbruck etwa rund um eine angeblich verratene Hausdurchsuchung bei seinem Mandanten Michael Tojner, einem milliardenschweren Investor. Brandstetter, der von Ende 2013 bis 2017 auf einem ÖVP-Ticket in der Regierung war, weist die Vorwürfe zurück und es gilt die Unschuldsvermutung.

Eine nun aus dem Ministerium herausapernde Personalie spielt 2015, als der Minister die ausgegliederte Strafvollzugsabteilung wieder ins Haus holte und Reorganisationsschritte setzte. Zur Ausschreibung gelangte auch die Leitung einer Abteilung in der Präsidialsektion – um die sich vier Juristen bewarben. Einer davon war fast zwei Jahrzehnte lang Leiter einer zentralen Abteilung im Ministerium.

An erster Stelle gereiht

Die unabhängige Personalkommission reihte ihn in ihrem Besetzungsvorschlag (an den sind die Minister nicht gebunden) im Oktober 2015 an die erste Stelle. Den Job bekam der Beamte nicht. Er habe Probleme in einem Bereich seiner Abteilung nicht gelöst, es habe da Beschwerden von Nichtakademikern gegeben, die sich schlecht behandelt fühlten, hieß es seitens des Ministers. Der Beamte sollte "mundtot" gemacht werden, hieß es freilich mancherorts im Ministerium.

Und das geschah damals: Insgesamt waren neun Leitungsfunktionen ausgeschrieben. Doch Hearing mit dem Minister gab es nur in diesem einen Fall, was im Palais Trautson für Überraschung und Aufsehen sorgte. Der Bewerber dürfte nicht schlecht gestaunt haben, als er am 27. November zum Gespräch in den Blauen Salon kam: Neben, unter anderem, zwei seiner eigenen Untergebenen (aus der Problemstelle) und einem Kabinettsmitarbeiter hatte Oldtimer-Fan Brandstetter seinen Chauffeur als Hearingkommissionsteilnehmer mitgebracht, es sollten eben "Nichtakademiker" dabei sein. Der Fahrer sei "Vertrauensperson" Brandstetters gewesen, sollte eine Zeugin später erklären. Zwei Untergebene und ein Fahrer beim Hearing für einen Spitzenjob, die über die soziale Kompetenz des Bewerbers Auskunft geben sollten? Die keine Frage stellten und sich laut Anwesenden offenbar "fehl am Platz" fühlten?

"Tribunalartiges" Hearing

Da sei es um pure Demütigung gegangen, wurde im Ministerium gemunkelt. Zeugen sollten später aussagen, die Stimmung sei "merkwürdig" und "tribunalartig" gewesen, das Hearing habe einer "Prüfungssituation" geähnelt und sei "nicht freundlich" geführt worden.

Und warum das alles? Angeblich weil der Beamte einst aus rechtlichen Gründen eine Honorarforderung für ein von WU-Professor Brandstetter erstelltes Gutachten abgelehnt habe. Zudem habe er den Minister bei einer Besetzung (durch einen ÖVP-Nahen) kritisiert.

"Beim Minister nicht durchzubringen"

Der Exminister soll es anders darstellen: Das Gutachten sei nicht von ihm, sondern vom Institut für Strafrecht (an dem er tätig ist) gewesen. Wie auch immer: Er sei beim Minister "nicht durchzubringen", informierte der Kabinettschef den Mann noch am Abend des schrägen Hearings. Den Posten bekam die Zweitgereihte.

Umstrukturierungen in der Verwaltung müssen gemäß Gesetz möglichst schonend für die Betroffenen vorgenommen werden – doch für den Abgelehnten lief es nicht so gut. Der Exabteilungsleiter, dem sein Sektionschef die höchstmögliche Qualifikation für den ausgeschriebenen Posten attestiert hatte, wurde auf Ministerwunsch zum Referenten unterster Kategorie gemacht.

Noch tiefer gings nicht

Er landete auf einem Posten, der für einen Staatsanwalt (in dem Fall quasi ein Dienstrang) gerade noch zulässig war. Ein tieferer Fall wäre rechtlich nicht möglich gewesen. Wobei die Bezahlung auf Veranlassung des Ministers gleich bleiben sollte, per sogenannter "Ad-Personam"-Bewertung.

Den Bescheid zu alldem bekam der Beamte erst 1,5 Jahre später. Er bekämpfte ihn (inklusive der Passage zur Bezahlung, die er für unerlaubt hielt) in allen Instanzen und bekam Recht. Inzwischen hat er einen Posten, der seinem alten gleichwertig ist.

Hearing als "Feigenblatt"

All das lässt sich in einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts von Sommer 2018 nachlesen. Darin heißt es, das Hearing sei ein "Feigenblatt" fürs Abweichen von der Reihung der Personalkommission gewesen. Die Bedenken des Beamten zur Weiterbezahlung teilte das Gericht. Der damalige Kabinettschef habe nicht erklären können, warum der Minister den Beschwerdeführer nicht zur Ernennung beim Bundespräsidenten vorschlagen hat.

Das Vorgehen des Ministeriums sei "in einem bedenklichen Ausmaß als unsachlich (...) und willkürlich" zu qualifizieren. Das betreffe Abberufung des Beamten wie Zuweisung des neuen Arbeitsplatzes seitens des Ministers. Brandstetter gab keinen Kommentar zu demGeschehen ab. (Renate Graber, Fabian Schmid, 17.4.2021)