Dirigent Franz Welser-Möst bei der Arbeit.

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Wien – Als Musikberichterstattender hat man in den Zeiten der Pandemie schon die unterschiedlichsten Settings staunend miterlebt. Zuerst war da gar nichts, dann Konzerte mit 100 Zuhörern im Großen Musikvereinssaal, darauf folgten das Schachbrettmuster, Kritiker nach Fiebermessungen einzeln in Logen und medizinisches Nasenstierln.

Beim Sonntagskonzert der Wiener Philharmoniker nun wurde das Dutzend der berichterstattenden Zuhörerschaft sitzenderweise im Stehbereich des Großen Musikvereinssaals platziert. You’re at home, baby. Im garagenhaften Halbdunkel wurde man des Wunders gewahr, wie delikat und inspirierend Franz Welser-Möst Schuberts zweite Symphonie zu frühlingsfrischem Leben erweckte. Die Wechsel von federnder Agilität, feinfühliger Poesie und prachtvoller Grandezza: einzigartig.

Im zweiten Satz des Jugendwerks ließ der Dirigent in den Variationen das Rouge der Crescendi in recht lebensfrohen Farben auftragen; körperlicher Beethoven-Furor war in der Moll-Variation und in der Menuetto-Eröffnung zu erleben. Und beim Finalsatz schäumte schlussendlich sogar Neujahrskonzert-Esprit auf. Fantastisch!

Nach der Pause überzeugte die Sinfonia domestica – so sehr sie auch vom Dirigenten im vorausgegangenen Pressegespräch gelobt worden war – nicht in ähnlichem Maß. Trotz fünf Proben fehlte es Richard Strauss’ vielschichtigem komödiantischem Familienporträt in Tönen und Klangfarben noch an selbstverständlicher Sicherheit; mancher Scherz hätte zudem scharfkantiger vorgetragen werden können. Der Streicherklang der Philharmoniker – inklusive der mit schlichter Innigkeit vorgetragenen Soli von Rainer Honeck – wirkte hingegen oft in medikamentöser Weise: als Stimmungsaufheller und Relaxans erster Güte. (Stefan Ender, 20.4.2021)