Doppelt besetzt: Neuenfels hat den fünf Sängern fünf Schauspieler als Alter Egos zur Seite gestellt.

Foto: Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

Als Hans Neuenfels’ Inszenierung von Mozarts Entführung aus dem Serail 1998 in Stuttgart Premiere feierte, war das Publikum begeistert. Sie wurde zur besten Aufführung des Jahres gewählt. Neuenfels hatte die Rollen doppelt besetzt und den fünf Sängern fünf Schauspieler als Alter Egos zur Seite gestellt. Allein die Sprechrolle des Bassa Selim blieb ohne Double. Was damals als revolutionär galt, ist heute fast schon State of the Art – zuletzt versuchte sich Amélie Niermeyer bei ihrem Fidelio an der Staatsoper mit Neuenfels’ Griff in die (Regie-)Theaterkiste, indem sie die Figur der Leonore verdoppelte, was gründlich danebenging.

Bei Mozart hingegen geht das Konzept auch 23 Jahre später auf: Zum einen weil Neuenfels eine zeitlos schöne, sinnlich-verspielte und humorvolle Inszenierung geschaffen hat, die ganz ohne krampfhafte Aktualisierungen und Neudeutungen auskommt. Zum anderen weil durch die Doppelung ein faszinierendes Spiel im Spiel entsteht, ohne schwerfällige Dialoge, dafür mit virtuos geführten, zutiefst menschlichen Charakteren zwischen Liebe und Eifersucht, Freude und Angst, Zweifel und Not. "Ich fand es legal, sich im Spiel mit sich selbst zu verdoppeln", sagte Neuenfels im Vorfeld der Wiener Premiere im Herbst vergangenen Jahres.

Komische Momente

Auf der puristisch ausgestatteten Bühne von Christian Schmidt entstand so Sprech- und Bühnenstück in einem, was Mozart, dem Meister des Doppelbödigen, bestimmt gefallen hätte. Die alten Sprechtexte hat Neuenfels durch Dialoge ersetzt und beschert dem Publikum herrlich komische Momente. "Der Dicke lässt sich nicht so leicht von der Bühne schieben. Gut, dass wir zwei sind", sagt Pedrillo eins zu Pedrillo zwei, ehe sie den betrunkenen Osmin auf einem Teppich hinausschleifen.

Die wahre Kraft liegt selbstverständlich in der Musik selbst: Antonello Manacorda führt mit schlankem Klang und ordentlich Tempo durch die Partitur, Regula Mühlemann brilliert als köstlich aufmüpfige Blonde, während Michael Laurenz einen ebenso vielseitigen wie stimmlich geschmeidigen Pedrillo in perfekter Commedia-dell’Arte-Manier gibt. Daniel Behle (Belmonte) phrasiert schön, Goran Jurić (Osmin) fehlt es an den Tiefen, und Brenda Rae, die als Konstanze ihr Rollendebüt am Haus gab, meisterte nach anfänglichen Anstrengungen im hohen Vibrato auch die Martern aller Arten. Applaus. (Miriam Damev, 13.6.2021)