Jakub Hrůša erweckte die traditionellen Qualitäten des Orchesters.

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Da sie keinen Chefdirigenten beschäftigen, spüren die Philharmoniker jene Umbrüche besonders deutlich, welche die Endlichkeit so herbeiführt. Maestri, die jahrzehntelang prägend waren, etwa Claudio Abbado, Pierre Boulez, Lorin Maazel, Nikolaus Harnoncourt und (bis zuletzt) Mariss Jansons, sind nicht mehr. Muti, Thielemann und Welser-Möst haben auch nicht immer Zeit, und Kirill Petrenko ist bei den Berlinern gut beschäftigt.

Auf der Suche nach kommenden Größen jedoch werden die Wiener fündig. Sie nennen Namen wie Alain Altinoglu, Lorenzo Viotti und eben auch Jakub Hrůša, der nicht nur für Mariss Jansons eingesprungen war. Das Orchester lernte den Tschechen (Jahrgang 1981), der Chefdirigent der Bamberger Symphoniker ist, einst auch an der Wiener Staatsoper bei Janáčeks Die Sache Makropulos kennen.

Symphonische Dichtung

Smetanas Mein Vaterland führte Hrůša nun beim samstägigen Philharmonischen im Musikverein stilistisch noch tiefer in Bereiche des ihm bekannten Süffig-Romantischen. Und gleich zu Beginn – bei Vyšehrad – wird evident, dass nichts künstlich verschlankt werden soll. Hrůša ist in seinem impulsiven Element; der Zyklus aus sechs symphonischen Dichtungen wirkt geprägt von einer zwischen prunkvoll und stürmisch angelegten Diktion. Keine Effekthascherei jedoch. Es geht eher um die Erweckung der programmmusikalischen Ideen durch Klang und Intensität.

Besonders bei Šárka zeigt sich: Wucht bringt das Dramatische auch von Kampfszenen plastisch und doch kontrolliert hervor. Andererseits entlockt der Dirigent dem Orchester in der Moldau das legatoselig federnde Aussingen der Linien. An Böhmens Hain und Flur wiederum betört der punktuell goldig schimmernde Streicherklang, während Blaník zum Finale immer noch reichlich Verve und Konzentration vermittelt. Abermals erstrahlt die Burg Vyšehrad in prunkvollen Farben.

Trotz recht ungünstigen Hörplatzes (gar weit vorn rechts ...) lässt sich also behaupten, es seien die traditionellen Qualitäten des Orchesters sehr gediegen erweckt worden. Und was will man mehr – in Zeiten wie diesen. (Ljubisa Tosic,14.6.2021)