Der Lainzer Tiergarten beherbergt unzählige frei lebende Wildtierarten: Damwild, Rotwild und Mufflons bald nicht mehr.

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Auf Twitter und Facebook ist die Aufregung groß: Im Lainzer Tiergarten, dem beliebten Wiener Naturjuwel, das zum Teil auch in Niederösterreich liegt, würden Hirsche, Dam- und Muffelwild gezielt getötet – um sie dort auszurotten. Von "Barbarei" ist die Rede. Auch ein Mitarbeiter des ÖVP-Klubs hat das Thema aufgegriffen. Ein von einem ÖVP-Parteispender mitfinanziertes Onlinemedium schreibt von "Massentötung". Was steckt da dahinter?

Zuerst einmal: Die Meldung stimmt – zumindest das Grundsätzliche daran. Der Lainzer Tiergarten ist ein weitläufiger Wald mit Spazierwegen, in dem viele Wildtiere frei leben. Betreut und verwaltet wird er von der rot-pink geführten Stadt Wien. Neben Hasen, Füchsen, Dachsen und Rehen kann man dort vor allem auch Wildschweine beobachten. Darüber hinaus gibt oder gab es im Lainzer Tiergarten Hirsche, Mufflons – das sind ursprünglich korsische Schafe mit gedrehten Hörnern – sowie Damwild, also etwas kleinere Hirsche. Diese drei Wildtierarten wird man dort nun bald nicht mehr finden – sie werden "aufgelassen". Ob Rothirsche im Tiergarten derzeit überhaupt noch vorkommen, ist nicht ganz klar.

Rinden anknabbern

Hintergrund ist ein neues Wildtiermanagement seit dem Jahr 2015, das die zuständige Magistratsabteilung gemeinsam mit Expertinnen und Wissenschaftern erarbeitet hat, erklärt Andreas Januskovecz, Forstdirektor der Stadt Wien. Damhirsche und Mufflons seien hierzulande nicht heimisch, sondern einst ausgesetzt worden, um sie auch in Wien jagen zu können. Die Tiere wurden jedoch zunehmend zum Problem, sagt Januskovecz. Mufflons würden etwa Bäume anfressen und die Rinde abknabbern und dadurch großen Schaden anrichten. Für den Rothirsch sei hingegen das Areal des Lainzer Tiergartens – der 2.450 Hektar groß ist – schlicht zu klein.

Wildtiere werden geschossen

"Wir sind im Lainzer Tiergarten dem Naturschutz und dem Tierschutz verpflichtet", sagt Januskovecz. Und die vielen Wildtierarten hätten "nicht mehr miteinander korrespondiert". Mit Experten sei die Vorgehensweise der Stadt abgestimmt, aber "manche Jäger" seien deshalb nun "erzürnt".

Im Lainzer Tiergarten werden Wildtiere nämlich geschossen – auch etwa Rehe und Wildschweine, weil es von denen sonst zu viele gäbe. Mufflons und Damhirsche werden ebenfalls gejagt – ihr Bestand wird dadurch nun aber eben kontinuierlich kleiner, bis keine mehr vorkommen.

"Blutauffrischung"

Forstdirektor Januskovecz erklärt, dass es bei einem kleinen Bestand einer Tierart in einem abgeschlossenen Bereich wie dem Lainzer Tiergarten überhaupt Probleme gebe. Vereinfacht erklärt: Damit die Population nicht in eine "Inzuchtsituation" gerate, müsse eine sogenannte Blutauffrischung erfolgen. Tiere von andernorts würden dafür betäubt und überstellt, das sei für Wildtiere gefährlich, unangenehm und deshalb "ein großes Tierschutzthema". Mit Rotwild, Muffelwild und Damwild wurde das früher gemacht – nun eben nicht mehr.

Bei Wildschweinen bestehe das Problem nicht, da die Lainzer Population zwischen 400 und 500 Tiere umfasst. Die Wildschweintruppe sei somit groß genug. Die Rehe würden es hingegen schaffen, das ummauerte Areal zu verlassen, und Rehe von außen schaffen es hinein – dadurch gebe es auch hier keine Inzuchtproblematik.

Auch Fledermäuse

Im Lainzer Tiergarten gibt es übrigens auch quasi verborgene Wildtiere, für die sich Jäger gar nicht interessieren: So leben dort laut Januskovecz die meisten unterschiedlichen Fledermausarten an einem Ort in ganz Europa. (Katharina Mittelstaedt, 20.6.2021)