Theaterpaar auf Augenhöhe: Verena Altenberger mit Lars Eidinger, der in Salzburg heuer den Jedermann spielt.

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Diese Woche machte Verena Altenberger einen Brief eines Mannes öffentlich, der sie sexistisch für ihre Stoppelfrisur als Buhlschaft in Salzburg kritisiert. In den sozialen Medien bekommt die Schauspielerin seither viel Unterstützung. Dort fordert sie auch "stop sexualizing women".

STANDARD: War dieser Angriff neu für Sie?

Altenberger: Als Frau wird man immer noch einen Tick mehr sexualisiert, als es Männern passiert. Ich kannte sexualisierende und sexistische Kommentare. Aber durch Salzburg verstärken sich die Reaktionen, positive wie negative, denn das Stück erhält so viel Aufmerksamkeit. Im echten Leben erfahre ich übrigens nur Zuspruch. Als ich mir für den Kinofilm Unter der Haut der Stadt die Glatze rasiert habe, hatte ich dafür drei Gründe. Einmal, weil ich mich als Schauspielerin nicht einschränken lassen möchte, eine unpraktische Silikonglatze das aber getan hätte. Dann aus Verantwortungsgefühl gegenüber den Menschen und Schicksalen, die meine Rollen repräsentieren. Drittens ist meine Mutter an Krebs gestorben, auch sie hatte durch die Chemo eine Glatze. Als ich das erste Mal ein Foto mit Glatze gepostet habe, hat eine Frau mir gemailt, ihre Tochter habe Krebs und hätte Angst gehabt, dass sie ohne Haare nicht mehr schön wäre, verstehe jetzt aber, dass sie auch mit Glatze schön sein kann. Das ist die viel wichtigere Debatte! Das war mein Antrieb, und er hat sich eingelöst, weil die Glatze ein Statement ist, das Mut machen kann.

STANDARD: Verletzen Sie Kommentare wie die Kritik über "kaum Buhlschaftsbusen"?

Altenberger: Wenn ich so etwas öffentlich mache, geht es mir nie um mich, sondern dar um, dass man daran gesellschaftliche Phänomene erkennen kann. Wie mit und über Frauen gesprochen wird, muss sich ändern!

STANDARD: Die Welt redet also über Haare und Busen, was an Ihrer Interpretation der Buhlschaft ist aber für Sie wirklich zeitgemäß?

Altenberger: Dass wir eine sehr schöne und gleichzeitig realistische Abbildung unserer Gesellschaftsstruktur gefunden haben. Realistisch, weil der Mann 90 Prozent Redezeit hat, das ist auch in jeder Expertinnenrunde und jedem börsennotierten Unternehmen so. Gleichzeitig sind beide aber in den Momenten, in denen sie zusammen auf der Bühne sind, auf Augenhöhe. Ich möchte weg von aggressiven Begriffen wie "Geschlechterkampf". Wo wir einander liebevoll entgegenkommen, ist Gleichberechtigung möglich.

STANDARD: Die beginnt, indem Sie den ersten Satz haben, den sonst der Jedermann sagt ...

Altenberger: Wir wollten uns auf die Suche nach der Beziehung der beiden machen. Um dieser Suche mehr Raum zu geben, fand Regisseur Michael Sturminger es wichtig, dass die Buhlschaft schon früher im Stück auftaucht. Lars Eidinger, der Jedermann, hat dann den philosophischen Ansatz, dass alles Übel in der Welt durch die Trennung der Geschlechter entstanden ist, geäußert. Das fand ich interessant, denn wären alle gleich, wären alle gleichberechtigt.

STANDARD: Wie wäre es nächstes Jahr mit einem weiblichen Jedermann?

Altenberger: Natürlich kann der Jedermann theoretisch auch von einer Frau gespielt werden, auch schon vor 101 Jahren. Ihn aber schlicht durch eine Frau zu ersetzen und ansonsten nichts zu ändern würde aber eigentlich keinen Sinn machen, denn das Stück ist ein Abgesang auf das Patriarchat. Was passiert, passiert, weil Jedermann ein Mann ist. Davon sind wir überzeugt. Wenn das Stück in seinen Allegorien ein Abbild der Gesellschaft ist, ist Jedermann einfach ein toxischer Mann. (Michael Wurmitzer, 1.8.2021)