"Tosca" an der Staatsoper: Wem es hier nicht kalt über den Rücken läuft, dem ist nicht zu helfen.

Foto: Staatsoper/Pöhn

"Eine ungeheure Menschenmenge drängte sich seit elf Uhr mittags vor den Eingangstüren des Theaters", schrieb La Gazetta musicale im Vorfeld zur Uraufführung von Puccinis Tosca am 14. Jänner 1900 im Teatro Costanzi in Rom. In Wien blieben die Menschenmengen bei der Saisoneröffnung am Freitagabend aus. Alles lief geordnet und diszipliniert ab: an jeder Ecke Impf- oder Testnachweis sowie genaue Ausweis- und Ticketkontrolle.

Plätze gab es noch genügend für Puccinis schönsten und zugleich schwärzesten Opernthriller. Die martialischen Akkorde zu Beginn, packend dirigiert von Axel Kober und schauerlich schön ausgeführt von den Wiener Philharmonikern, lassen einem das Blut in den Adern gefrieren. Mit Vivacissimo con violenza stolpert Angelotti (hochdramatisch: Clemens Unterreiner) in das gigantische Bühnenbild von Nicola Benois. Zwischen Mario Cavaradossi und Floria Tosca, gepielt von Fabio Sartori und Carmen Giannattasio, die beide ihre Rollendebüts am Haus geben, funkt es leider nicht so richtig. Erfreulicherweise nehmen die beiden im Laufe des Abends stimmlich Fahrt auf.

Erwin Schrott meldete sich krank

Weil Erwin Schrott kurzfristig erkrankt ist, gibt Ludovic Tezier einen nicht nur darstellerisch sondern auch stimmlich starken Scarpia. Im 2. Akt möchte man vor Wut und Abscheu auf die Bühne springen und ihm höchstpersönlich den Dolch ins Herz rammen. Wem es hier angesichts von Folter und Leid nicht kalt über den Rücken läuft, dem ist nicht zu helfen.

Das liegt natürlich auch an Margarethe Wallmann packender Regie, die an diesem Abend ihre 622. Aufführung feiert. "Ti soffoca il sangue?" , "Erstickst du nun im Blut?", singt Tosca. "Muori dannato! Muori! Muori! Muori!". Endlich! Zeit für eine kurze Verschnaufpause vor dem finalen Showdown auf der Engelsburg.

Unter dem klaren Sternenhimmel erinnert sich Mario Cavaradossi im Duett mit dem warmen Klang der Solo-Klarinette an die Stunden mit seiner Tosca. Fabio Sartori singt das E lucevan le stelle schlicht und schön. Bei den dramatischen Tönen hätte man ihm mehr Zurückhaltung im Orchestergraben gewünscht. Es folgen Trommelschläge, Gewehrsalven, rasende Trompeten und orchestrale Raserei. Am Schluss ist der Himmel schwarz und alle tot. Enthusiastische Bravo-Rufe und mehrfaches Verbeugen für die Sänger des Abends. (Miriam Damev, 5.9.2021)