Dass Marius Schötz (Musik, Text und Regie) und Koautorin Marthe Meinhold Oh Darling Darling – Don’t Be Such A Baby als Operette bezeichnen, ist ein Etikettenschwindel.

Foto: Marcel Urlaub / Volkstheater

Wien – Wenn sieben eine Reise tun, dann haben sie was zu erzählen. Und zu singen erst! Aber hallo! Im Margaretner Volx-Untergrund fährt ein munteres Völkchen ins Land des Lächelns, genauer: auf Operettenreise nach Salzgitter. Hoch auf dem hölzernen Wagen (Bühne: Robin Metzer) sitzen Prof. Wurzer (Günther Wiederschwinger) nebst Gattin Melanie sowie der Ex-Kriminaler Jonathan Dullmann (Elias Eilinghoff) mit Frau Hannelore (Hasti Molavian) in schwarzer Festkleidung (Kostüm: Florian Kiehl).

Die Reiseleitung obliegt Frau Nele, an der Deichsel müht sich Fahrer Marcello ab. Man ist fest entschlossen, sich zu freuen. Melanie liebt den Duft von "warmem Moder", der bei Operettenaufführungen von der Bühne publikumswärts zieht, Hannelore faszinieren die in einen "Lächerlichkeitsmantel" verpackten "Abgründe". Statt zur Raststätte fährt Marcello den Wagen zuschanden, aber zum Glück ist Schampus da. Wie in der Operette erweist sich das Schaumgetränk als Lösungsmittel für emotionale Verhärtungen und als Bindemittel für überraschende Paarungen.

Dass Marius Schötz (Musik, Text und Regie) und Koautorin Marthe Meinhold Oh Darling Darling – Don’t Be Such A Baby als Operette bezeichnen, ist ein Etikettenschwindel. Das Stück ist musikalisch viel mehr: Es ist ein unterhaltsamer Parforceritt durch die unterschiedlichsten Musikgenres. Da gibt es Musicalpathos, Volkslied, Rap und Schlagerheiterkeit. Hannelores große Raststättenklo-Arie wurzelt in der Neuen Musik und wächst sich in Richtung Wagner aus. Alles ist möglich, auch dank der bezaubernden Sylvia Kimiko Krutz am Klavier.

Alltag und Absurdistan

Auch im Libretto fallen den Autoren zum Thema Operette, dieser leichtlebigen Tochter von Mutter Oper und Vater Kitsch, kaum frische Bonmots oder Sentenzen ein. Aber das Faszinierende an der Textebene ist die Nähe von Alltag und Absurdistan, von Komödie und Farce. Wie gut, dass man im Volkstheater auf Virtuosen der Darstellungskunst vertrauen kann, die diese Gratwanderungen souverän bewältigen.

Claudio Gatzke etwa: Man schaut ihm zu und sieht das Leben neu. Marcellos großen Schlumpf-Monolog startet der Deutsche in Dittsche-Manier und steigert ihn zur großen Arie. Claudia Sabitzer bespielt als Melanie ihr Charaktergesicht mit den emotionalen Geschmacksrichtungen bitter, süß und sauer. Und Evi Kehrstephan ist als Nele ganz tapfere Freundlichkeit – bis sie dann auch mal fünf Minuten für sich braucht. Purer Genuss, große Freude. (Stefan Ender, 11.9.2021)