Eine Hausdurchsuchung gab es unter anderem in der Parteizentral der ÖVP.

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Wien – Aktuell befindet sich in der türkisen Chataffäre niemand in Haft, das sogenannte Gefangenendilemma könnte dennoch zutreffen. In dem Szenario wird zwei Komplizen eines Verbrechens jeweils angeboten, gegen ein Geständnis und die Inkriminierung des Partners ohne Strafe davonzukommen. Halten beide Gefangene den Mund, haben die Ermittler nichts in der Hand – dennoch ist es für den einzelnen Häftling besser, zu gestehen, bevor es der Mittäter tut.

Nun ist in der ÖVP-Causa noch nicht einmal geklärt, ob es Täter gibt – es gilt die Unschuldsvermutung. Das von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft gesicherte Material stellt aber für alle Beteiligten eine große Belastung dar. Eben auch, weil bestimmten Beschuldigten die Vorteile eines umfangreichen Geständnisses schmackhaft gemacht werden könnten. Denn wer als Beschuldigter im Ermittlungsverfahren mit der Staatsanwaltschaft kooperiert, kann vor Gericht mit einer milderen Strafe "belohnt" werden. Voraussetzung dafür ist natürlich, dass den Ermittlern tatsächlich neue Informationen zur Verfügung gestellt werden. Und: "Deals" mit der Staatsanwaltschaft nach US-amerikanischem Vorbild gibt es in Österreich nicht – geständige Täter müssen darauf hoffen, dass die Richterin oder der Richter ihre Mitarbeit auch zu würdigen weiß.

Wohl keine Kronzeugen

Die Kronzeugenregelung kann in der aktuellen Causa übrigens nur sehr bedingt zum Einsatz kommen, weil bei den Beschuldigten bereits Hausdurchsuchungen stattgefunden haben – ein Ausschlussgrund. Nur wenn Verdächtige durch neue Informationen einen völlig neuen Ermittlungsstrang eröffnen, wäre der Einsatz der Regelung denkbar.

Gegen Korruption arbeiten nicht nur Staatsanwaltschaften, sondern auch die Zivilgesellschaft. Die neu gegründete Initiative "Saubere Hände" forderte bei einer Aktion auf dem Wiener Heldenplatz am Dienstag eine effektive Antikorruptionsgesetzgebung. "Wir wollen sagen, dass wir sauer sind, und zwar megasauer", so Saubere-Hände-Sprecherin Ursula Bittner.

Die Initiative fordert lückenlose Aufklärung aktueller Affären, Respekt vor der Justiz und die Umsetzung der Vorschläge des Antikorruptionsvolksbegehrens noch vor den nächsten Wahlen. Unterstützt wird sie von den "Staatskünstlern" Robert Palfrader, Florian Scheuba und Thomas Maurer. (sefe, APA, 19.10.2021)