Das zunehmende politische Engagement von Unternehmen, zum Beispiel beim Impfen, ist begrüßenswert, meinen die Wirtschaftsethiker Markus Scholz und Thomas Beschorner im Gastkommentar.

Unternehmen mögen sich um ihre Geschäfte kümmern, Einmischungen in gesellschaftliche Debatten sollten sie unterlassen – so die traditionelle Meinung klassischer wirtschaftsliberaler Denker wie etwa Milton Friedman. Trotzdem engagieren sich Unternehmen zunehmend politisch. In den USA geschieht dies bereits sehr prägnant. Viele Unternehmen verorten sich dort beispielsweise klar für oder gegen Waffenkontrollen, unterstützen das Recht auf Abtreibung oder bekämpfen es; man war – oder ist – pro oder kontra Donald Trump.

"Es gibt immer was zu impfen", "Quadratisch. Praktisch. Geimpft": Deutsche Firmen haben eine Kampagne für die Corona-Impfung gestartet. Auch in Österreich wird geworben.

Gemeinsame Aktion

In Europa ist das politische Engagement von Unternehmen bisher weniger sichtbar – sieht man vom inzwischen fast allgegenwärtigen Schwenken der Regenbogenfahne einmal ab. Dies änderte sich in den vergangenen Tagen. Mit der Kampagne "Dann geh doch zum Impfen!" haben sich mehr als 150 deutsche Konzerne und Familienunternehmen zusammengeschlossen, um in einer gemeinsamen Aktion mit ihren Slogans und durch abgeänderte Firmenlogos für eine Corona-Impfung zu werben. Dabei sind unter anderem Porsche, Hornbach und McDonald’s. Der Discounter Lidl wirbt mit dem Satz "Impfen lohnt sich", BWM hat seinen Slogan zu "Freude am Impfen" geändert, die Deutsche Bahn schreibt: "Sänk ju for impfen".

In Österreich findet die Aktion ebenfalls Anklang. Zunehmend mehr Unternehmen werben bereits ähnlich für die Impfung. Das Unternehmen Simacek postete in der vergangenen Woche "Check Re-Check Impf-Check". Und Manner, eine der bekanntesten Marken Österreichs, wirbt nun mit dem Slogan: "Impfen mag man eben".

Erwartungsgemäß löst die Kampagne heftige Reaktionen in den sozialen Medien aus und polarisiert: "Boykottiert diese Unternehmen", wird geschrien. "Ich werde meinen Porsche zurückgeben", schreibt der eine. "Chapeau – Unternehmen zeigen hier Haltung", postet eine andere. Und dann gibt es natürlich noch solche, die das alles für gutes oder eben schlechtes Marketing halten und der Aktion eine soziopolitische Bedeutung grundsätzlich absprechen.

Aus wirtschaftsethischer Perspektive ist diese Kampagne jedenfalls begrüßenswert. Die Covid-Pandemie wirkt sich signifikant negativ auf Unternehmen wie auch auf die Gesellschaft als solche aus. Impfungen sind das momentan beste Mittel zur Bekämpfung dieser Pandemie, trotzdem bleiben die Impfquoten im deutschsprachigen Raum zu niedrig. Die staatlichen Appelle lassen an Wirkungsmächtigkeit zu wünschen übrig. In dieser Situation tragen auch Unternehmen Pflichten.

Als generelles Argument dafür, sich impfen zu lassen, wird häufig darauf verwiesen, dass Bürgerinnen und Bürger nicht nur Rechte, sondern eben auch Pflichten gegenüber der Gesellschaft hätten. Dieses Argument gilt auch für Unternehmen. Unternehmen als "Corporate Citizen" besitzen in einer freiheitlich-demokratischen und zudem wettbewerblich organisierten Gesellschaft erhebliche Rechte. Zugleich kommen ihnen jedoch auch Pflichten zu. Dazu gehört es, mit ihren Mitteln dann gemeinwohlorientiert zu intervenieren und zu unterstützen, wenn der Staat der gegenwärtigen Herausforderungen nicht Herr wird.

Der globale Schutz von Menschenrechten, der Kampf gegen den Klimawandel und eben akut die Bekämpfung der Covid-Pandemie sind solche Herausforderungen. Wenn Unternehmen nun ihre Kapazitäten bündeln und gemeinsam zum Impfen auffordern, dann kommen sie ihrer Verantwortung als Unternehmensbürger nach. Wir sollten dies begrüßen – auch unabhängig davon, ob sich manche Unternehmen möglicherweise lediglich aus Marketingzwecken engagieren.

Diskutiert wird mitunter, ob sich Unternehmen mit ihrer Kampagne zu Tyrannen aufschwingen, da es ihnen an politischer Legitimität fehlt. Für diesen konkreten Anlass erscheint dieser Einwand unzulässig. Die an der Kampagne beteiligten Unternehmen wiederholen lediglich den eindeutigen politischen Tenor und eine eindeutige wissenschaftliche Empfehlung: Impfen hilft. (Markus Scholz, Thomas Beschorner, 19.12.2021)