Interpret mit feiner Klinge: Cellist Gautier Capuçon.

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Butler oder Sparringspartner? Zwiegespräch oder Zweikampf? Die Wahl des Kammermusikpartners bestimmt den Charakter eines Duoabends in prägender Weise. Eigentlich hätte Gautier Capuçon im November mit Yuja Wang im Konzerthaus musizieren sollen, ein Lockdown wurde zum Spielverderber. Anstelle der gebürtigen Chinesin, am Klavier zu kantiger Verve fähig, saß nun Nikolai Lugansky im Großen Saal zur Linken des französischen Weltklassecellisten. Lugansky kann am Klavier alles und mehr, er ist eine Offenbarung. Seine Brillanz stellte der Russe bei der Interpretation der Cellosonaten von Debussy, Schostakowitsch (op. 40) und Rachmaninow (op. 19) jedoch ganz in den Dienst einer hellhörigen Feinfühligkeit, eines gleichsam symbiotischen Musizierens – was gelang, obwohl ihm der Cellist quasi im Rücken saß und so kaum Blickkontakt möglich war.

Capuçon verfügte, korrespondierend zu seiner Physis, über einen schlank-muskulösen, nie fetten Celloton. In den diversen emotionalen Gefechten führte der 40-Jährige gern eine feine Klinge, Luganksy war ihm stets ein hochaufmerksamer Sekundant. Eine Demonstration allerhöchster Kunstfertigkeit zu zweit à la Savchenko & Massot 2018.

Doch wie wäre der Abend mit einem Partner verlaufen, der Capuçon mehr aus der Reserve gelockt, mehr Kontra gegeben hätte? Martha Argerich, das legendäre Raubein mit dem Löwenhaar, weiß solche eigenwilligen, knallharten Impulse zu setzen, Yuja Wang auch. Capuçons älterer Bruder Renaud musizierte vor fünf Jahren mit Khatia Buniatishvili im Musikverein. Da war alles da: Symbiose und solistische Extravaganz. Dieses Element der emotionalen Brandstiftung ging am Sonntag ab. Freudvoller Beifall, zwei Zugaben. Davor ein kurzer Auftritt eines Stipendiaten der Stiftung der Fondation Gautier Capuçon, Kim Bernard, mit einer etwas eiligen vierten Ballade von Chopin.

Der Konzerthaus-Porträtkünstler Capuçon wird bis Ende April noch fünfmal zu erleben sein, falls Omikron mitspielt. (Stefan Ender, 10.1.2022)