Prinz Andrew (links) ist nun endgültig Persona non grata im Buckingham Palace.

Foto: AFP / John Thys

Kämpfen oder zahlen? Auf diesen Nenner lässt sich das Dilemma bringen, vor dem der Neunte der britischen Thronfolge an diesem Wochenende steht. Nach zwei verheerenden Rückschlägen in den vergangenen Tagen muss Prinz Andrew entscheiden, ob er sich wirklich auf das Risiko eines öffentlichen Zivilprozesses in New York wegen angeblichen sexuellen Missbrauchs einlassen will – oder mit seiner Beschuldigerin Virginia Giuffre einen Vergleich anstrebt.

Peinlich wird es für den Herzog von York in jedem Fall. Und einsam ist es geworden um den 61-Jährigen, seit sich nun auch seine Mutter, Queen Elizabeth II, von ihm losgesagt hat. An ihrem Lieblingssohn hatte die 95-Jährige bisher eisern festgehalten, ganz offenkundig gegen den Rat ihres Thronfolgers Charles, der dem zwölf Jahre jüngeren Bruder schon vor zwei Jahren alle royalen Termine in der Öffentlichkeit untersagte.

Aus Staatsräson

Nun aber überwog die Staatsräson, ja die Sorge um die Fortdauer der Monarchie ausgerechnet in einem Festjahr, in dem die Monarchin ihr 70. Thronjubiläum begeht. Und wie stets hat sich der Herzog die Rückschläge selbst zuzuschreiben.

Er habe "die Tendenz, besonders ehrenhaft zu sein", hat Andrew einst im BBC-Interview behauptet. Nichts aber war ehrenhaft an der Art und Weise, mit der die Anwälte des britischen Royals auf seine Beschuldigerin losgingen: Bei Virginia Giuffre handle es sich um eine geldgierige Dauerprozessiererin, die mit unbewiesenen Vorwürfen Prominente ins Unrecht setze. Er, Andrew, sei "dieser Lady" nie begegnet.

Dabei hat die heute in Australien lebende US-Bürgerin, 38, ihre Anschuldigungen gegen den Prinzen teils detailliert untermauert: Dreimal – in London, in New York und in der Karibik – sei sie, damals noch minderjährig, vor 20 Jahren von Andrew sexuell missbraucht worden.

Unstrittig ist zudem, dass dieser mit dem New Yorker Finanzjongleur Jeffrey Epstein und dessen Partnerin Ghislaine Maxwell befreundet war. Der mittlerweile verstorbene Epstein und die Tochter des Millionenbetrügers Robert Maxwell waren laut US-Justiz jahrzehntelang für die Ausbeutung und den Missbrauch von Hunderten junger Frauen verantwortlich. Maxwell wurde kürzlich verurteilt. Zu deren Profiteuren habe auch der Herzog gehört, heißt es in Giuffres Klage.

Klage zulässig

Insofern wirkt es im Nachhinein wie ein schlechter Witz, dass Andrews Anwälte das New Yorker Gericht darum baten, die Klage gar nicht erst zuzulassen. Zur Begründung beriefen sie sich auf eine Vereinbarung des Opfers mit dem schon damals verurteilten Sexualverbrecher Epstein: Gegen Zahlung von 500.000 Dollar verpflichtete sich Giuffre 2009, von weiteren Klagen gegen Epstein selbst und seine Freunde, auch Andrew, abzusehen.

Richter Lewis Kaplan reagierte erkennbar skeptisch. Als seine Entscheidung bekannt wurde – der Zivilprozess kann stattfinden –, hätte der Prinz umgehend reagieren und von sich aus alle Verbindungen mit dem Königshaus kappen müssen. Stattdessen ließ er sich aufs Schloss Windsor zitieren, wo ihm die Mutter die Leviten las.

Die spätere Mitteilung des Palastes war an sprachlicher Kälte kaum zu überbieten. "Mit dem Einverständnis und der Genehmigung" der Queen "wurden die militärischen Dienstgrade und royalen Schirmherrschaften des Herzogs von York zurückgegeben". Die Passivkonstruktion ließ keinen Zweifel an Andrews Demütigung. Im zweiten Satz durfte der Herzog beteuern, er werde auch weiterhin nicht mehr in der Öffentlichkeit auftreten und sei im Gerichtsverfahren "Privatbürger".

Hohe Kosten

Mit 42 Worten machte das Königshaus deutlich: größtmögliche Distanz zum Problemprinzen. Ganz offenkundig hat es die Queen satt, immer wieder neue Schlagzeilen über ihren Drittgeborenen zu lesen. Dieser muss nun rasch den Verkauf seines Chalets in der Schweiz über die Bühne bringen, um die Rechnungen seiner Anwälte bezahlen zu können.

Eine Vereinbarung mit Giuffre dürfte teuer werden; vergangene Woche kursierte in London eine Summe von umgerechnet 4,4 Millionen Euro. Sollte es dazu nicht kommen, würde frühestens im Herbst die mündliche Verhandlung steigen – ein Albtraum für die PR-Strategen des Königshauses.

Entschuldigung für Party

Ärger verursachte aber den Royals auch die Nachricht, dass es in der Regierungszentrale in der Downing Street weitere Verstöße gegen Corona-Auflagen gegeben habe, etwa bei einer Party ausgerechnet am Vorabend der Beisetzung von Prinz Philip, dem Ehemann der Queen, im vergangenen April. Der Druck auf Boris Johnson, den Premierminister ihrer Königin, nimmt weiter zu. (Sebastian Borger aus London, 14.1.2022)