In Bregenz schlägt man aus Dürrenmatts Komödie Funken und bleibt dennoch blass.

Andreas Zimmermann

In diesem Staat ist niemandem zu helfen. Elis versinkt im Mist. Doch den einfach wegspülen, wie der zur Hilfe gerufene Herkules vorschlägt, will man auch nicht. Schließlich lebt man vom Mist, der in alle Welt als Kompost verkauft wird, ein Triumph! Und unter dem Mist könnten sich wertvolle Kulturschätze befinden, das historisch-kulturelle Gedächtnis von Elis etwa. Also weg damit? Nein, lieber noch eine Kommission gründen und eine Gegenkommission und eine Zwischenkommission und eine Säuberungskommission.

Das Vorarlberger Landestheater Bregenz zeigt Friedrich Dürrenmatts selten gespielte Demokratie-Persiflage Herkules oder der Stall des Augias. Die Koproduktion mit dem Schweizer Theater Marie (nach Geld, Parzival 2020 jetzt die zweite Zusammenarbeit) setzt dabei voll auf Komik – weniger auf die Politik-Satire. Dürrenmatt hatte Herkules und der Stall des Augias als Hörspiel verfasst, 1954 wurde es erstmals ausgestrahlt. Später arbeitete er seine eigene Vorlage fürs Theater um. Die Uraufführung 1963 in Zürich fiel bei der Kritik durch: Das Theaterstück erinnere an das Niveau von Ulk-Sketches bei Vereinsjubiläen.

Folie für Entlarvungen

Dennoch ließe sich diese Komödie als Folie für Politentlarvungen nutzen. Regisseur Olivier Keller gibt der Bregenzer Inszenierung einen anderen Dreh: Er lässt Frauen die Männerrollen spielen und umgekehrt. Elis wird zum Frauenstaat, die Frauen haben das Sagen: Es bleibt trotzdem ein Mist-Staat.

Der Regisseur steht selber auf der Bühne, er bedient die Videomaschine, lässt die Sonne über Elis aufgehen und den Mond und lässt die Mistberge anwachsen. Der Mist, das sind in Bregenz die kalt lächelnden Porträts der Politikerinnen, die wie Sonnen am Horizont auf- und untergehen, immer mehr Porträts erscheinen, überlagern sich, überwuchern den Horizont. Kurz blitzt Dürrenmatt selbst dazwischen auf, schaut entsetzt auf dieses Elis.

Herkules mit kraftvoller Naivität

Die Frauenbesetzung der Titelfigur überzeugt: Milva Stark dekonstruiert den Nationalhelden Herkules mit kraftvoller Naivität. Ihrem Herkules geht es wirklich um die Beseitigung des Problems, Auftrag ist Auftrag, und Herkules schließlich ein Held. Milva Stark gelingt es, ihn auch mit Verzweiflung auszustatten. "Gage, Gage", fleht sie keuchend. Doch Gage gibt es nicht. Herkules fällt platt zu Boden.

Schreiber Polybios muss ihn wieder aufrichten, er schickt Herkules auf zur nächsten Tat, zur sechsten Arbeit, Hühnerkot entsorgen in Stymphalien. Florentine Krafft spielt den Schreiber als aalglatten Berater, gewitzten Chefeinflüsterer.

Komödie als Komödie

Wird er bei Dürrenmatt von Herkules permanent verprügelt, treibt Polybios in der Bregenzer Inszenierung Herkules vor sich her, von Auftrag zu Auftrag. Doch die politische Ebene, die unter dieser Figurenzuspitzung liegen könnte, nutzt Keller nicht. Keine Anspielungen auf aktuelle Strippenzieher, keine Entlarvung von Korruption, Lobbyismus, Demokratiezersetzung.

So mag denn trotz aller funkelnden Regieideen der Funke nicht recht überspringen. Wenn man die Komödie nur um der Komödie willen spielt, braucht man nicht Dürrenmatts Herkules als Vehikel. Für Stallausmisten und andere Heldentaten gibt es kein Salär: In Bregenz schlägt man aus Dürrenmatts Komödie Funken und bleibt dennoch blass.

(Julia Nehmiz, 28.1.2022)