Den Anfang macht Raketenschrott. Voraussichtlich am 4. März dürfte eine ausgediente Raketenstufe auf den Mond krachen – von wem sie stammt, sorgt derzeit für Diskussionen. Ein Nasa-Forscher verdächtigte zunächst das US-Raumfahrtunternehmen Space X, dann äußerten Expertinnen die Vermutung, dass es sich eher um das Überbleibsel einer chinesischen Mondmission handeln dürfte. China dementiert das. Das Land hat den Mond jedenfalls schon seit einiger Zeit im Fokus und betreibt den derzeit einzigen aktiven Mondrover.

Einsamer Entdecker: Der chinesische Roboter Yutu 2 rollt seit 2019 über die erdabgewandte Seite des Mondes.
Foto: APA/AFP/CNSA

Woher das nun im Anflug befindliche Raketenrelikt auch kommt, seine Kollision mit dem Erdtrabanten ist so etwas wie der Vorbote einer neuen Phase der Raumfahrt: Ein Wettlauf zum Mond ist entbrannt, der noch in diesem Jahr Fahrt aufnehmen wird – und sich von früheren Unternehmungen stark unterscheidet.

Es sind nicht nur die üblichen großen Weltraumplayer, die nach Jahrzehnten des Desinteresses wieder ein Auge auf den Mond geworfen haben: Diesmal will etwa auch Südkorea erstmals eine Sonde in eine Mondumlaufbahn schicken, die Vereinigten Arabischen Emirate planen die Landung eines eigenen Rovers. In Israel und Indien werden ebenfalls Mondmissionen vorbereitet, wobei sich ihre Starts 2022 nicht mehr ausgehen dürften.

Ein japanischer und ein russischer Roboter könnten den Mond hingegen noch in diesem Jahr erreichen. Und China hat längst eine ganze Reihe von Mondmissionen gestartet und weitere ambitionierte Vorhaben geplant.

Erste Mondbesucherinnen

Die derzeit umfangreichsten konkreten Pläne verfolgt aber die US-Weltraumbehörde Nasa: Mitte des Jahrzehnts sollen wieder amerikanische Astronauten auf dem Mond landen, diesmal endlich auch Astronautinnen. Da auch die Europäische Weltraumorganisation Esa an dem Projekt beteiligt ist, könnte auch bald eine Europäerin den Mond betreten.

Anders als bei den Apollo-Missionen in den 1960er- und 70er-Jahren ist diesmal kein Direktflug zum Mond geplant, dafür aber der Aufbau einer dauerhaften Infrastruktur. Gemeinsam mit der Esa sowie den Weltraumagenturen Japans und Kanadas soll in den kommenden Jahren eine Raumstation in einer Mondumlaufbahn errichtet werden. Dieser sogenannte Lunar Gateway soll ein Basiscamp werden, von dem aus Menschen dann per Landefähre zur Mondoberfläche gelangen.

Der Lunar Gateway soll künftig als Basisstation im Mondorbit dienen – für Mondbesucher und Fernreisende.
Illustration: Nasa

Schrittweise zum Nachbarplaneten

Das Raumschiff Orion, das die künftigen Astronautinnen und Astronauten zum Lunar Gateway befördern soll, hat die Nasa in Zusammenarbeit mit der Esa gebaut. Im März soll es zu einem Probeflug Richtung Mond aufbrechen, den Erdtrabanten eine Woche lang umrunden und dann wieder zur Erde zurückkehren, vorerst noch ohne Menschen. Die erste Orion-Crew könnte 2024 abheben.

Aber wozu der ganze Aufwand? Weshalb zurück zum Mond fliegen – ein halbes Jahrhundert nachdem der letzte Mensch dort einen Fußabdruck hinterlassen hat? "Der Mond ist die logische Zwischenstation zum Mars", sagt Nico Dettmann, Leiter des Mondexplorationsteams der Esa. "Ein Astronautenflug direkt zum Mars wäre als nächster Schritt einfach zu groß. Mit einer Infrastruktur im Mondorbit und Missionen zur Oberfläche können wir uns schrittweise auf das nächste Kapitel vorbereiten."

Mithilfe der neuen Nasa-Trägerrakete Space Launch System soll das Orion-Raumschiff in den Mondorbit gelangen.
Foto: AFP/NASA/MSFC

Tankstelle im Mondorbit

Raumfahrende könnten auf dem Mond neue Technologien testen, ohne gleich dem vollen Risiko einer planetaren Fernreise ausgesetzt zu sein. Der Lunar Gateway könnte eines Tages auch als eine Art Tankstelle dienen: Marsreisende müssten nicht gleich alle nötigen Ressourcen für den Hin- und Rückflug direkt von der Erde mitbringen, sondern könnten beim Mond Treibstoffe und andere Güter laden. Dank der geringeren Anziehungskraft des Erdtrabanten wäre der Flug mit Zwischenstopp einfacher und billiger.

Als reines Zwischenziel will Dettmann den Mond aber nicht bezeichnen. "Er hat auch wissenschaftlich große Reize, vieles ist noch unerforscht. Die Apollo-Missionen waren eine Geburt des Kalten Krieges, sie hatten weniger einen wissenschaftlichen Hintergrund."

Aber braucht es denn für die Forschung Menschen auf der nicht gerade wirtlichen Mondoberfläche? Nicht wirklich, sagt Jean-Jacques Tortora. Für den Direktor des Europäischen Instituts für Weltraumpolitik mit Sitz in Wien ist der Mond zwar ebenfalls der naheliegende Raumfahrtschritt nach der in die Jahre gekommenen Internationalen Raumstation. Er sieht die Mondrenaissance auch im Licht der stetig wachsenden Konkurrenz zwischen den USA und China: Das zunehmende Mondinteresse der aufstrebenden chinesischen Weltraummacht habe auch in den USA Pläne zur Rückkehr beschleunigt.

Das ist keine Einbahnstraße. Im Vorjahr haben China und Russland die Absicht erklärt, gemeinsam ebenfalls eine Mondstation errichten zu wollen. Allzu viele Details sind darüber bisher nicht bekannt, für Tortora ist bei all diesen Plänen und Absichtserklärungen jedenfalls auch ein anderer Aspekt wichtig: Es geht dabei nicht nur um Prestige und eine Zwischenstation zum Mars, sondern auch um die Fähigkeit, Ressourcen fern der Erde abzubauen und zu nutzen.

Ressourcenabbau im All

"Interessant ist auf dem Mond vor allem Wasser", sagt Tortora. Das ist zwar nicht einfach zu haben, der Erdtrabant ist größtenteils staubtrocken. In Kratern der Polarregionen, in die niemals Sonnenlicht fällt, befinden sich aber größere Mengen an Wassereis. "Die Möglichkeit, diese Vorkommen zu nutzen, würde alles ändern", sagt Tortora. "Aus Wasser lässt sich Sauerstoff und Treibstoff gewinnen, also unverzichtbare Ressourcen, die wir nicht von der Erde mitbringen müssten."

Andere Rohstoffe, die für den Bau von Infrastruktur interessant sein könnten, gibt es dagegen wie Sand am Meer: Aus Staub und Mondgestein ließen sich vielleicht Baustoffe herstellen, sowohl die USA als auch China planen Experimente in diese Richtung. Aber wem gehören Ressourcen im All eigentlich? Kann sie nutzen, wer will – auch kommerziell?

Darüber herrscht Uneinigkeit. Der Weltraumvertrag, den seit 1976 111 Länder ratifiziert haben, verbietet eine territoriale Aneignung, sagt Irmgard Marboe, Expertin für Weltraumrecht an der Universität Wien. Niemand kann ein Mondgrundstück besitzen oder Ansprüche auf Marsberge erheben. "Rohstoffe für den Bedarf einer Mission zu nutzen ist dagegen kein Problem", sagt Marboe. Wenn es um Profite geht, wird es komplizierter.

Lunare Legalität

Nach Ansicht der USA und einer wachsenden Zahl anderer Länder ist kommerzieller Bergbau im All ohne weiteres zulässig. Im Weltraumvertrag steht aber, die Nutzung des Alls sei "zum Wohle und im Interesse aller Länder". Das ließe auch die Interpretation zu, dass unbeteiligte Nationen an Gewinnen zu beteiligen wären. Wenig überraschend stößt diese Auslegung auf erheblichen Gegenwind.

Eine klare Lösung ist derzeit nicht in Sicht, sagt Jean-Jacques Tortora. "Noch ist das kein akutes Problem, ich glaube nicht, dass der Ressourcenabbau im All schon bald ein heißes Thema wird."

Einen Minipräzedenzfall könnte es aber bald geben. Ende 2022 will die US-Firma Lunar Outpost im Auftrag der Nasa mit einem Rover auf dem Mond landen und ein Kommunikationssystem aufbauen. Nebenbei hat die Firma einen PR-Gag geplant: Der Rover soll ein paar Steinchen aufsammeln, die dann für symbolische 70 Cent in den Besitz der Nasa übergehen – als erster Handel mit einer außerirdischen Ressource im All. (David Rennert, 26.2.2022)