Weg mit der ,zeitlosen‘ Kunst und deren Ewigkeitswerten – da nur der lebendige Mensch den ewigen Wert darstellt!" Dies schrieb der Architekt Josef Frank, und es ist einer seiner gar nicht so wenigen selbstverfassten Sätze, die seine Haltung in vollendeter Klarheit beschreiben. Die gemeinsam mit Oskar Wlach entworfene, 1930 bezogene Villa Beer in Wien-Hietzing ist das Manifest dieser Haltung, ein Haus, das sich in der Bewegung durch Raum und Zeit erschließt, das sich in allen Situationen des Alltags benutzen lässt, ohne neutral oder nur funktional zu sein.

Große Erleichterung herrschte im Frühjahr 2021, als bekannt wurde, dass die Villa Beer einen neuen Eigentümer gefunden hatte, mit der Absicht, das 650-Quadratmeter-Haus der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Das Interesse dafür ist gegeben. Die vereinzelten vom AzW organisierten Führungen wurden überrannt, und die internationale Architekturwelt scharrt schon sehnsuchtsvoll mit den Füßen.

Ein Haus, das sich in Bewegung
erschließt: die Villa Beer von
Josef Frank und Oskar Wlach
in Wien-Hietzing.
Foto: Wolfgang Thaler

Aber wie genau kann ein modernes Wohnhaus als Exponat seiner selbst funktionieren? Josef Frank beschrieb in seinem berühmten Essay das ideale Haus "als Weg und Platz", wie eine Stadt, durch die man frei flaniert. Lässt sich dem nachspüren, wenn man artig zwischen roten Kordeln entlangdefiliert? Wie löst man das Problem der Barrierefreiheit, wo sind Garderobe und WCs, gibt es womöglich (Sakrileg!) einen Museumsshop?

Diese Fragen stellen sich, gerade bei der Architektur der Moderne, nicht zum ersten Mal. Viele ihrer ikonischen Häuser sind heute Museen, viel Wissen darüber hat sich weltweit angesammelt. Und vorige Woche kam dieses Wissen nach Wien zum zweitägigen Symposium "Offene Moderne: Zur Zukunft der Villa Beer", konzipiert und organisiert von der Österreichischen Gesellschaft für Architektur (ÖGFA) und DOCOMOMO Austria.

Weltreise der Moderne

Wie, fragte der ÖGFA-Vorsitzende und Architekt Andreas Vass zu Beginn, kann ein "Hausmuseum der Wiener Moderne" aussehen? Wie passt Franks Aufforderung zur Aneignung und Benutzung mit einer konservierenden Restaurierung und Denkmalpflege zusammen, die alles auf einen bestimmten Zustand einfriert? Welches Ideal von Wohnen soll das Museum vermitteln, wo doch Frank selbst das Wohnen als sich stetig wandelnd ansah?

Diese Fragen für die Villa Beer abschließend zu beantworten war nicht die Aufgabe des Symposiums, vielmehr wurde der weiße Elefant im Raum mit Fachwissen eingekreist und eine Weltreise zu den vielen inzwischen musealisierten Wohnhäusern der Moderne unternommen, vom Eames House in Los Angeles über das Melnikow-Haus in Moskau und Mies van der Rohes Haus Lemke in Berlin bis zum Haus von Jože Plečnik in Ljubljana, heute ein Staatsmonument mit einem Präsentationskonzept, das, wie Kuratorin Maruša Zorec berichtete, stark auf Storytelling durch engagierte Führer setzt.

Foto: Wolfgang Thaler

Wilfried Wang, ehemaliger Direktor des Deutschen Architekturmuseums (DAM), erinnerte an die Ausstellung, die 1996 das Interieur von Eileen Grays fantastischem und jahrzehntelang vergessenem Ferienhaus E-1027 an der Côte d’Azur im Maßstab 1:1 rekonstruierte. Die Besucher durften alle Möbel benutzen und sich sogar ins Bett legen. "Nur so kann man das Haus verstehen, weil Gray es komplett um das Bett herum geplant hat", so Wang.

Von akademischer Seite brachte Thomas Will, Professor für Denkmalpflege an der TU Dresden, die Kernfragen des Konservierens präzise auf den Punkt. "Wir können das Haus restaurieren als ein vom Schöpfer so nicht gedachtes Kunstwerk, das durch die Mittel raffinierter Einfühlungsästhetik zu einem auratisch aufgeladenen Erlebnisort werden kann. Ein dokumentierender Ansatz wäre mit ästhetischen Enttäuschungen verbunden, ein gegenteiliger mit angenehmen Täuschungen, was historische Authentizität betrifft. Aber Erben hat immer etwas mit Interpretation zu tun." Kurz: Es gibt mehr als eine mögliche Lösung, und man muss sich klar entscheiden.

Auratischer Erlebnisort

Im Schlusspanel erörterten Mitarbeiter der Institutionen AzW, MAK, Wien-Museum und Bundesdenkmalamt – die, wie sie betonten, alle als Einzelpersonen, nicht im Namen ihrer Institutionen sprachen –, was nun zu tun sein könnte. Andreas Nierhaus (Wien -Museum) warnte davor, die Villa Beer zu einem Museum für einen Josef-Frank-Fanklub zu machen, und Monika Platzer (AzW) mahnte, Josef Frank, der als jüdischer Architekt emigrieren musste, nicht wienerisch zu vereinnahmen und den Teil seiner Biografie zu thematisieren.

Foto: Stephan Trierenberg

Die Veranstalter zogen im Nachhinein ein glückliches Resümee. Das Symposium habe sich gelohnt, freuen sich Anna Wickenhauser und Albert Kirchengast von DOCOMOMO, "weil es eine einmalige Möglichkeit geboten hat, über die Wiener Moderne aus der Tiefe her aus zu diskutieren. Und dies schon vor der Sanierung einer Bauikone. Die Erkenntnisse der nach Wien geladenen, internationalen Fachwelt müssten nun die institutionelle Denkmalpflege wie auch die hiesige Architektenschaft anleiten. Klar sei vor allem geworden, bilanziert Andreas Vass, "wie vielfältig die Häuser selbst vermitteln könnten, was die Architektur der Moderne zur Öffnung unserer Vorstellungen eines guten Lebens beigetragen hat – wenn bei ihrer Erhaltung und Nutzung die materielle und geistige Substanz den Ausgangspunkt bildet".

Auch Lothar Trierenberg, Eigentümer der Villa Beer und stiller Betrachter des Symposiums, zieht gegenüber dem STANDARD ein glückliches Resümee. "Zu erleben, wie viele international renommierte Menschen an unserem Projekt Interesse zeigen und ihre Expertise zur Verfügung stellen, war überwältigend. In gewissem Sinne war dieses Symposium der Startschuss für die Umsetzung des Projekts. Wir werden mit vielen Referenten im Austausch bleiben und können so unsere nächsten Schritte mit einer Außensicht abgleichen, um bestmöglich in die Zukunft zu gehen."

Ermutigende Signale und nach 48 Stunden Vortragsmarathon eine Art Konsens, dass dieses historische Baudenkmal im Sinne Josef Franks vor allem durch die Benutzung lebendig bleiben kann. (Maik Novotny, 6.3.2022)