Potent lyrisch oder stimmgewaltig mit S-Fehler? Das Orchester fesselte jedenfalls.

Foto: Michael Pöhn

"In den Jahren zwischen Rheingold und Walküre muss Wotan in Hochform gewesen sein", berichtet Loriot in seinem Kleinen Opernführer: "Damen aus besten Kreisen schenkten ihm acht gesunde Töchter." Auch John Lundgren hat an der Wiener Staatsoper als Wotan just zwischen dem Rheingold (Mittwochabend) und der Walküre (nun am Sonntag) zur Hochform gefunden. Mit profundem, profiliertem Bariton zog er im Ehekrieg mit Gattin Fricka den Schwanz ein. Danach ließ sich Lundgren im Nachhinein für das Rheingold als indisponiert erklären sowie im Voraus für den dritten Aufzug – wegen einer "allergischen Reaktion". Der Schwede blieb jedoch auch in der Auseinandersetzung mit seiner Lieblingstochter Brünnhilde stimmmächtig, laborierte aber in Sachen Artikulation an einer s-Schwäche.

Ein Insektenstich an der Zungenspitze? Das werden Opernhistoriker klären. Und Nina Stemmes Brünnhilde? Keine vollautomatische Tonschleuder, sondern eine sensibel ihre Seelenqualen Schildernde. Simone Schneiders Sieglinde? Aufrecht wie eine Säule und strahlend wie ein Signalfeuer ihr Sopran.

Siegmund? Stuart Skelton bewies sich als ein potenter Lyriker, als präziser, agiler, hochsensibler Erzähler. Prägnant Dmitry Belosselskiys Hunding; Monica Bohinecs Fricka war beim Zank nur moderat bissig. Die Walküren erfrischten wie ein Bad im Gebirgsbach, das Staatsopernorchester (Leitung: Axel Kober) fesselte in jedem Moment. Hin zum Ring! (sten) Wieder am 22. 5.

(10.5.2022)