Die Protagonistin, gespielt von Kyoko Takenaka, möchte das Sperma eines weißen Mannes ergattern, um ein "Hafu-Baby" zu bekommen. Denn große Augen und blonde Haare gelten in Japan als Schönheitsideal.
Foto: Philip Frowein

Bühnen haben mit dem mitunter rassistisch und sexistisch grundierten Kanon heutzutage viel zu kämpfen. In der Opernliteratur wäre da Madama Butterfly von Giacomo Puccini, in der die Beziehung einer Geisha zu einem US-amerikanischen Marineoffizier zu einer "japanischen Tragödie" führt. Bei den Wiener Festwochen benützt Dramatikerin und Regisseurin Satoko Ichihara die Geschichte als Folie für eine unverblümte und humorvolle Reflexion über das Fremd- und Selbstbild von Japanerinnen. Premiere war am Sonntag im Brut Nordwest.

Nachdem Cio-Cio-San als Avatar auf der Leinwand lippensynchron eine Arie imitiert hat, heißt es Abschied nehmen von der Opernfigur. Bei Ichihara wird die Butterfly nämlich zur "Gaijin"-Jägerin. Als "Gaijin" werden in Japan ausländische Männer bezeichnet, die bei Frauen begehrt sind. Die Protagonistin, gespielt von Kyoko Takenaka, möchte das Sperma eines weißen Mannes ergattern, um ein "Hafu-Baby" zu bekommen. Denn große Augen und blonde Haare gelten in Japan als Schönheitsideal. Der fremde männliche Blick hingegen dürstet nach asiatischer Exotik.

Aus dem importierten Schönheitsbild und der stereotypen Außenperspektive auf "die Japanerin" entsteht diese Tragödie, die Ichihara mit einem hohen Maß an Witz und Selbstreflexion anreichert.
Foto: Philip Frowein

Aus dem importierten Schönheitsbild und der stereotypen Außenperspektive auf "die Japanerin" entsteht diese Tragödie, die Ichihara mit einem hohen Maß an Witz und Selbstreflexion anreichert. Die Theatermacherin zeigt damit ihre erste Auftragsarbeit außerhalb Japans – sie hatte damit im Vorjahr Uraufführung am Theater Neumarkt in Zürich. Auch der Sohn der Japanerin und des "Gaijin" tritt auf. Als "Hafu" hat der junge Mann seine Schwierigkeiten in der japanischen Gesellschaft, aber auch in der Beziehung zur alleinerziehenden Mutter.

Eingeschoben in das Stück ist eine Art Making-of, in dem die Darstellenden (per Video: Brandy Butler) und die Regisseurin die Frage der Diversität in der Besetzung diskutieren. Wesentlich für das Stück ist die Kommunikation der Schauspieler (weiters: Sascha Ö. Soydan, Yan Balistoy) mit projizierten Avatarfiguren, etwa einer als (blonde) Sailor Moon verkleideten Kate Pinkerton. Mit radikalen Setzungen regt diese Madama Butterfly jedenfalls die Diskussion über kulturelle Zuschreibungen an. (Lisa Kammann, 17.5.2022)