Er legt mit einem Schuhplattler los und steigert sich in einen perkussiven Dauerstepp: Tänzer Daniel Conant rockt zum Beginn der Sommerszene die Salzburger Felsenreitschule.

Foto: Bernhard Müller

In der Salzburger Felsenreitschule war bereits viel Großes und Legendäres möglich. Und es sind weiterhin Dinge zu erwarten, die man sich heute noch nicht vorstellen kann. Einen Vorgeschmack lieferte das Festival Sommerszene zu seinem Auftakt am Donnerstag. Darin beherrscht ein einzelner Tänzer die riesige Bühne der Reitschule – Daniel Conant in dem Stück Tanzanweisungen des deutschen Choreografen Moritz Ostruschnjak.

Viel braucht es nicht, um zu zeigen, wie uns gerade der gesellschaftliche Kanon unter dem Allerwertesten explodiert: die schon allein ob ihrer Dimensionen eine ganze Welt symbolisierende Großbühne, ein Extrapodest, pointiertes Licht, etwas Theaternebel, den Tanz als Metapher, diesen exzellenten Tänzer, die passende Musik plus eine zündende Idee.

Chaos außerhalb des Theaters

Tanzanweisungen hat das alles. Conant legt mit einem Schuhplattler los und steigert sich, sein Podest wie einen Klangkörper nutzend, in einen perkussiven Dauerstepp, aus dem Tanzzitate – etwa von Anne Teresa De Keersmaekers legendärem Frühwerk Fase – genauso springen wie anarchische Bewegungen. Ostruschnjak lässt einen irren Jack aus der Box: Ungezügeltes reibt sich an Körperdisziplin, in große Gesten kicken absurde Wendungen.

Das kommt nicht aus dem Tanz, sondern aus dem dräuenden Chaos außerhalb des Theaters. Zwischendurch holt Conant eine Tafel zu sich, darauf steht: "News: After a while we will stop thinking about it". Da hat er bereits zu Simon & Garfunkels Sound of Silence getanzt. Später kommt noch Der Mussolini von DAF: "Tanz den Mussolini / Tanz den Adolf Hitler / Und jetzt den Jesus Christus / Und tanz den Kommunismus". Freche Worte aus dem Jahr 1981 als Gruß ins Heute.

Brillanter Start

Diesen brillanten Start muss dem Sommerszene-Festival erst einmal jemand nachmachen. Ein etwas dezenteres Highlight folgt auf dem Fuß und ist noch bis Samstag im Hof des Salzburg-Museums (Neue Residenz) zu sehen. In ihrem Duett Aerea schwingen Ginevra Panzetti und Enrico Ticconi graue Flaggen als Zeichen von identitären Einbildungen, Nationalismus und Aggression. Aerea ist ein Schattentanz der Fahnen. In mit Gelassenheit und dann wieder Expressivität ausgeführten Bewegungssequenzen zum Sound von Demetrio Castellucci – ja, Romeo C.s Sohn – macht das italienische Paar das Ineinanderfließen von Gegenwart und faschistischer Vergangenheit deutlich.

Zu den weiteren Programmpunkten der diesjährigen Sommerszene gehören Audio-Walks von Rimini Protokoll, ein Pop-Amt des Salzburger Kollektivs Ohnetitel und das Stück Fúria der Choreografin Lia Rodrigues. Auch Forced Entertainment gastieren. (Helmut Ploebst, 11.6.2022)