Pianistin Khatia Buniatishvili gastierte im Wiener Konzerthaus.

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Auf dem Papier las sich das Programm überaus bestechend und originell: Erik Satie, mehrmals Frédéric Chopin, Johann Sebastian Bach, François Couperin, Schubert und Liszt (auch als Bach-Bearbeiter) – welche Querverbindungen, so durfte man sich fragen, wollte Pianistin Khatia Buniatishvili da am Montag mit ihrem Soloabend im Großen Saal des Wiener Konzerthauses aufzeigen? Um es vorwegzunehmen: Große dramaturgische Aha-Effekte kamen ebenso wenig zutage wie überraschende untergründige Verbindungen zwischen den gegensätzlichen Werken, obwohl das wohl auch Sinn des pausenlosen anderthalbstündigen Abends gewesen wäre.

Zugegeben: Saties Première Gymnopédie (1888) direkt in Chopins Prélude e-moll op. 28/4 überfließen zu lassen wirkte wie eine starke Fürsprache für die Gleichwertigkeit der beiden Miniaturen. Die abstrakte Reduktion bei Satie – paradoxerweise auf Basis der Salonmusik des späten 19. Jahrhunderts, aber zugleich deren nihilistische Perversion – und die expressive Zuspitzung bei Chopin: Beides klang bei ihr fast gleich – ein interessanter Ansatz, aber ästhetisch nicht besonders aufschlussreich.

Innig, aber nicht ausgewogen

Buniatishvilis Spiel wirkt insgesamt wie die fortwährende Demonstration höchster Anschlagskunst, wobei der Eindruck eines in inniger Versunkenheit hingetupften Schönklangs bei den langsameren Stücken überwiegt, aber nicht immer eine tatsächliche Ausgewogenheit der Harmonien erreicht wird. Hochkonzentriert und suggestiv, mit zurückhaltender Präsenz zieht die Pianistin ihr Publikum in den Bann, wenn sie etwa Bachs Air aus der dritten Orchestersuite zelebriert: sehr klangschön und ein bisschen beliebig im romantischen Ausdruck.

Ähnliches gilt für ihre Schubert-Lesart: Beim Ges-Dur Impromptu D 899/3 erinnerte rein gar nichts mehr an die Tempovorschrift andante, es klang mehr wie stehend als gehend und eher wie eine idyllische Klanginsel als ein lyrisches Stück mit sehr dramatischen Ausbrüchen (die einen radikalen Gegensatz zur Grundstimmung bilden). Schuberts Ständchen in der Liszt-Bearbeitung war so ähnlich: keine Sehnsucht mit Verzweiflung, sondern eher wie eine Postkarte des Inhalts: "Hier ist es schön, und du fehlst mir gar nicht so sehr …"

Jazzgitarrenartige Leichtigkeit

Zugleich war dies alles geprägt von Buniatishvilis stupendem Können und einem stets kontrolliert leuchtenden Grundklang, den sie auch den virtuosesten, schnellsten Passagen verleiht: behände huschend in den flotten Passagen von Chopins Scherzo Nr. 3 cis-moll op. 39, beherzt auftrumpfend in Liszts Ungarischer Rhapsodie Nr. 2 cis-moll. Mit drei Zugaben dankte sie dem begeisterten Saal: darunter ein fulminanter dritter Satz von Sergej Prokofjews 7. Klaviersonate und eine eigene Bearbeitung von Serge Gainsbourgs Song La javanaise: Verblüffend, wie sie da jazzgitarrenartige Leichtigkeit auf die Tasten zauberte. (Daniel Ender, 14.6.2022)