Schräge Geste, lustige Kellner: So gehört sich das "Im weißen Rössl".

Gregor Nesvadba

In Zeiten wie diesen, in denen sich im politischen und wirtschaftlichen Weltgeschehen ein perfekter Sturm zusammenbraut, ist Baden nicht nur für russische Oligarchen ein idealer Rückzugsort. Denn während man in Wien Bevölkerung und Besucher im Sommer vergleichsweise unversorgt lässt, disponiert man in der Kurstadt klüger. Hier spielt die Bühne Baden in der heißen Jahreszeit durch und lockt von Juni bis September mit leichtmusikalischer Unterhaltung: So steht heuer neben Andrew Lloyd Webbers Musical Sunset Boulevard (ab 8. Juli) und Emmerich Kálmáns Operette Kaiserin Joséphine (ab 29. Juli) auch Ralph Benatzkys Singspiel Im weißen Rössl (ab sofort) auf dem Spielplan.

In der bunten, aktionsreichen Inszenierung von Isabella Gregor wird die resolute Rösslwirtin vom Wolfgangsee von Verena Scheitz gegeben – einer Frau mit dem Auftreten eines Rufezeichens, der man zutrauen würde, die Geschicke einer zukünftigen Weltregierung souverän zu leiten.

Auch der Kaiser ist da

Hier hat sich die Macherin aber auf Anweisung des Kaisers Franz Joseph (Tenorlegende Heinz Zednik!) zu fügen und den Zahlkellner Leopold zu ehelichen, den Boris Pfeifer mit komödiantischem Schwung und optischem Pläsier darstellt. Scheitz singt eher herb und Pfeifer mit Musicaltechnik – Letzteres ist unverstärkt eine Gratwanderung, weil seine Stimme in der oben offenen Sommerarena doch eher klein, eng und ein wenig meckernd klingt. Egal, die zwei kommen trotzdem sehr gut an.

In jeder Hinsicht herausragend agiert Jens Janke als Fabrikant Wilhelm Giesecke: Der Deutsche kann nicht nur das Ruppige exzellent, sondern auch Singen und Steppen. Im Sprechen prägnant Melanie Schreiber als Gieseckes Tochter Ottilie, der vom harmlosen Reinhard Alessandri (als Dr. Siedler) der Hof gemacht wird.

Sorgen entfliehen

Andreas Steppan gibt den Professor Hinzelmann angenehm entspannt, Oliver Baier den schönen Sigismund Sülzheimer rollengerecht klamaukig. Eine Freude: Jonas Zeiler als verschmitzter Piccolo und Gabriele Schuchter als Fremdenführerin. Tanja Hofmann (Ausstattung) sind die Kostüme deutlich gewinnender gelungen als das Bühnenbild. Und Michael Zehetner servierte die vielen Hits der Revueoperette von 1930 mit dem Orchester der Bühne Baden am Samstagabend gekonnt. In diesem Sommer kann man in Baden also zumindest kurzfristig aller Sorgen entfliehen. (Stefan Ender, 19.6.2022)