Karin Bergmann tut es wieder: Sie führt das Stadttheater Gmunden auf neuen Kurs.

Foto: Regine Hendrich

Das Stadttheater Gmunden im Zentrum der Salzkammergut-Metropole wurde vor 150 Jahren eröffnet.

Foto: Tourismusverband Traunsee-Almtal/Karl-Heinz Ruber

Es ist gelungen, Karin Bergmann ein zweites Mal aus dem Ruhestand zu locken. Beim ersten Mal vor acht Jahren hat die Theaterfachfrau das Burgtheater mit einem 20-Millionen-Euro-Schuldenberg übernommen. Dieses Mal obliegt es ihr, ein schlafendes Theater zu neuem Leben zu erwecken – das Stadttheater Gmunden. Im Rahmen der Salzkammergut Festwochen wird heuer dessen 150. Geburtstag gefeiert.

Der Salzburger Theaterdirektor Joseph M. Kotzky hatte das zentral und mit dem Rücken zum Traunsee gelegene Haus einst auf eigene Kosten errichten lassen und 1872 eröffnet. 1897 fand hier in Anwesenheit Arthur Schnitzlers die österreichische Erstaufführung von dessen Schauspiel Freiwild statt. Diese Jubiläen sowie Vorfreude und Enthusiasmus in Hinblick auf den Regionenfokus durch die Kulturhauptstadt 2024 (Bannerstadt Bad Ischl) beflügeln nun einen Neustart.

Feuertaufensommer

Es wird ein Feuertaufensommer. Denn so einfach ist es selbst als Burgtheaterdirektorin a. D. nicht, einen Theaterbetrieb dort auf die Beine zu stellen, wo schon jahrzehntelang keiner war und bereits 1913 Kino Einzug gehalten hat und also weder Ensemble noch Theaterpersonal vorhanden sind. Auch Burgtheatergagen stehen nicht zur Verfügung. "Finanziell ist Gmunden natürlich das komplette Kontrastprogramm", sagt Bergmann im STANDARD-Gespräch. "Derzeit agiere ich als Ein-Frau-Unternehmen".

Allein ist Bergmann aber nicht. Die Salzkammergut Festwochen werden – nach Jutta Skokans zwanzig prägenden Intendanzjahren – seit 2019 von Christian Hieke (künstlerisch) und Johanna Mitterbauer (kaufmännisch) geleitet, das Schauspiel- und Literaturprogramm verantwortet Bergmann. Höhepunkt ist die Reigen-Premiere am 23. Juli in der Regie von Franz-Xaver Mayr, der das Reihum-Tête-à-tête der Jahrhundertwende in die von Geheimnis und Effizienz geprägten Kommunikationslandschaften unserer Tage transferieren wird.

Ein großer Cast von über einem Dutzend Darstellenden wird aufgeboten, darunter Tim Breyvogel, Patricia Falk, Dorothee Hartinger, Nikolaus Lessky, Riccardo Pallotta, Luisa Schwab, Sebastian Wendelin. Um dies finanziell stemmen zu können, hat Bergmann eine Koproduktion mit dem Landestheater Niederösterreich angestoßen. Somit steht einerseits ein professionelles Produktionsteam zur Verfügung und bleibt andererseits gesichert, dass die Inszenierung nicht nach wenigen Festivalterminen der Vergangenheit anheimfällt, sondern in einem Repertoire erhalten bleibt – so ähnlich wie es die Zusammenarbeit zwischen Salzburger Festspielen und Burgtheater gewährt.

Spielen auch im Winter

Bergmanns Konzept sieht alljährlich ein Dreigestirn aus Künstlerpersönlichkeiten vor: Weltautor oder Weltautorin, zeitgenössische Autorin oder Autor und als Fixstarter den Salzkammergutanrainer Thomas Bernhard. Jubiläumsbedingt fällt die Weltautor-Position heuer Arthur Schnitzler zu. Der aus dem benachbarten Schlierbach stammende Thomas Arzt, geboren 1983, ist mit seinem Schnitzler-Update Else (ohne Fräulein) in einer szenischen Lesung durch Alina Fritsch vertreten (6. Juli). Und Thomas Bernhard, dessen Ohlsdorfer Bauernhaus ebenso Spielstätte der Festwochen ist, kommt in einer szenischen Einrichtung von Hermann Beil zu Ehren: Sven-Eric Bechtolf und August Zirner tragen aus dem Brüderstück Der Schein trügt vor (10. August).

Wird es genug Publikum für diesen Theatervorstoß in der Salzkammergut-Metropole geben? Wenn ja, dann schweben Bergmann bereits Spielzeiten über den Sommer hinaus vor, etwa in der Weihnachtszeit oder im Februar rund um Thomas Bernhards Geburtstag. Wichtig ist ihr, ein Theaterpublikum aus der Region zu gewinnen, also über die temporär anwesenden Sommerfrischler hinaus. "Das wäre im Grunde mein Traum", sagt sie. Um Menschen zu erreichen, wurden bereits Partizipationsprojekte für 2024 eingereicht, die über das Theater hinausgehen und die eine Publikumsbindung erzeugen sollen.

"Nicht nur Silberrücken"

Publikumsarbeit ist derzeit ein entscheidender Faktor. Die Pandemie, aber auch neue künstlerische Erzähl- oder Spielformate haben dem Theater in den letzten Jahren zugesetzt bzw. Konkurrenz gemacht. Darüber ist sich Bergmann im Klaren. Um junges Publikum zu interessieren, hat sie deshalb einen Lehrerstammtisch ins Leben gerufen und außerdem in den vielen Schulen der Region über Schnitzler und Arzt gesprochen. Ein echtes "Theaterpferd" (Selbstbezeichnung) eben! "Wir müssen gucken, dass im Publikum nicht nur die Silberrücken sitzen", sagt sie.

Weiters bekennt sie sich dazu, das Theater von der Verkopfung und der Abstraktion zu entlasten. Das Publikum habe das Recht, den Alltag bei der Garderobe abzugeben und in Gegenwelten einzutauchen, wie es Barrie Kosky unlängst formuliert hat. "Das ist ganz, ganz elementar. Ich meine damit nicht, mit Speck nach den Mäusen zu werfen, sondern zu wissen, dass es am Theater eine gute Mischung braucht, die dazu angetan ist, zu berühren und zu verzaubern." (Margarete Affenzeller, 5.7.2022)