Der Eröffnungsabend war ein Triumph – zum einen für den Dirigenten Teodor Currentzis, der die Doppelinszenierung aus Bartóks Blaubart und Orffs De temporum zu einem musikalischen Hochamt machte. Zum anderen aber auch für die Festspiele und ihren Intendanten Markus Hinterhäuser, die in den vergangenen Monaten beharrlich auf dem Engagement des graeco-russischen Dirigenten beharrten, obwohl diesem ein Naheverhältnis zum Putin-Regime vorgeworfen wird. Ob dieses tatsächlich besteht, das ist immer noch unklar, aber viele Indizien weisen darauf hin.

Für den Intendanten der Salzburger Festspiele galt für Currentzis aber immer die Unschuldsvermutung.
Foto: APA/BARBARA GINDL

Für den Intendanten der Salzburger Festspiele galt für Currentzis aber immer die Unschuldsvermutung. Genauso wie in den vergangenen zwei Pandemiejahren, als fast alle Sommerfestivals ihre Austragung absagten, hielt man an der Salzach am eigenen Kurs fest – und das teilweise gegen heftigen Widerstand. Dafür ist dem Festival Anerkennung zu zollen, wenngleich die Entscheidung gewaltige Risiken in sich barg. Wären in den vergangenen Monaten neue Details über die Verstrickungen von Currentzis mit dem Kreml ans Tageslicht gekommen, wäre das für die Festspiele ein katastrophaler Imageverlust gewesen.

Der Eröffnungsabend der Salzburger Festspiele, mit Orffs De temporum, war ein Triumph
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Mit Putins Künstlern legt man sich nicht ins Bett, darüber herrscht im Westen Einigkeit. Eine Dokumentation von Alexei Nawalny über Valery Gergiev zeigte justament zu der Zeit, als die Currentzis-Diskussion losging, auf, wie tief der russische Vorzeigedirigent in die korrupten Machenschaften des Regimes verstrickt ist. Über Wohltätigkeitsstiftungen leitete Gergiev Millionen Rubel in die eigene Tasche um. Auch Currentzis, wurde damals bekannt, hat Stiftungen in Liechtenstein und der Schweiz.

Es bedurfte und bedarf schon ziemlicher Scheuklappen, nicht auch im Fall Currentzis skeptisch zu bleiben, zumal er und sein Orchester MusicAeterna in Sankt Petersburg von Putins sanktionierter Hausbank VTB finanziert werden. Im Orchestervorstand sitzt nicht nur der VTB-Chef, sondern auch der Bürgermeister von Sankt Petersburg und die Zentralbankchefin, allesamt Putin-Getreue. In einem Artikel in der New York Times stufte der russische Pianist Evgeny Kissin erst am Dienstag die Verbindungen von MusicAeterna mit der russischen Regierung als "problematisch" ein. Die Argumentation, dass sich Currentzis nicht zum Krieg äußert, weil er damit die Existenz seiner Musiker aufs Spiel setzen würde, mag einleuchten, einen Persilschein stellt ihm das allerdings nicht aus.

Teile der Klassikwelt reagierten auf die von Medien und der Öffentlichkeit gestellten Fragen über die Verstrickungen von Currentzis und anderer Künstler mit dem Putin-Regime mit Empörung. Die Welt der Kunst und Kultur ist darin geübt, mit dem moralischen Zeigefinger auf andere zu zeigen. Befindet sie sich aber selbst im Mittelpunkt kritischer Nachfragen, dann reagiert sie dünnhäutig. Das war zuletzt nicht nur bei Teodor Currentzis so.

Auch was diverse Sponsorings anbelangt, ohne die Festivals wie die Salzburger Festspiele nicht in dieser Qualität und Fülle stattfinden könnten, dauerte es, bis man die Problematik erkannte. Mittlerweile sind Regeln für ein sauberes Kultursponsoring in Ausarbeitung. Möge die Beharrlichkeit, die den Festspielen eigen ist, auch in dieser Causa greifen. Wenn sich Kunst schmutzig macht, verliert sie jede Glaubwürdigkeit. (Stephan Hilpold, 28.7.2022)