Regisseur Rolando Villazón hat ein umwerfendes Ensemble um sich geschart, allen voran natürlich die fantastische Komödiantin Cecilia Bartoli.

Foto: SF / Monika Rittershaus

Salzburg oder Sevilla? Was die glühende Hitze betrifft, kann die Stadt an der Salzach locker mit der andalusischen Prachtmetropole mithalten. Mehr als 150 Opern spielen in Sevilla, darunter Don Giovanni, Carmen, Die Hochzeit des Figaro, Fidelio – und Der Barbier von Sevilla. Gioachino Rossini hat dem "Figaro" in seiner wahrscheinlich berühmtesten Oper ein immerwährendes Denkmal gesetzt. Rossini schnappte sich Beaumarchais’ Stoff und bearbeitete ihn virtuos zu einer Opera buffa – mit all den wunderbaren Ingredienzen, die ihm als Komponist zu eigen waren: Einer ordentlichen Portion genialer Komödiantik mengte Rossini sprühende Melodik und rhythmische Raffinesse bei, komponierte den Sängern prestige- und koloraturreiche Arien in die Kehle und kredenzte dem Orchester üppige Zwischenmusiken. Will man seinen Erzählungen Glauben schenken, dann brauchte er für dieses herrliche Gericht keine 40 Tage.

In Salzburg hat sich Spitzenkoch Rolando Villazón des Werkes angenommen. Die Premiere fand im Juni bei den Pfingstfestspielen statt und wurde nun – welch ein Glück – bei den Sommerfestspielen wiederaufgenommen. Unangefochtener Star des Abends: "Ceci B. Artoli", die während der Ouvertüre als Filmdiva in diversen Schwarz-Weiß-Klassikern als Piratin, Nonne, Kleopatra oder Jeanne d’Arc über die Bühne flimmert. Böse Zungen behaupten ja, dass la Bartoli die besten Zeiten längst hinter sich habe. Mitnichten!

Die gebürtige Römerin ist nicht nur eine fantastische Komödiantin; aus ihrer Kehle sprudeln die Koloraturen, dass es eine Freude ist – ganz zu schweigen von der Selbstverständlichkeit, mit der sie Rossinis mörderische Tempi- und Lagenwechsel intoniert. Überhaupt hat Regisseur Villazón ein umwerfendes Ensemble um sich geschart, das nicht nur musikalisch, sondern auch darstellerisch für regelmäßige Lach- und Jubelausbrüche im vollbesetzten Haus für Mozart sorgt.

Dauervergnügen

Bei Villazón, selbst Meister der Clownerie, geht kein Ton ins Leere: Jeder Takt der Partitur wird mit Gesten, Blicken, Film- und Musikzitaten choreografiert; ein dreieinhalbstündiges Dauervergnügen, an dem auch die Sängerinnen und Sänger des Abends eine Mordsgaudi haben. Zum Beispiel Ildebrando D’Arcangelo, der seinen Prachtbariton Don Basilio leiht und vor jedem seiner Auftritte als übergroßer Nosferatu-Schatten mit riesigen Klauen und Teufelsohren über die Wände kriecht. Der Auftritt im Buona-sera- Quintett mit Rosina, Bartolo, dem Grafen und Figaro im zweiten Akt ist an Witz und Virtuosität kaum zu überbieten. Apropos Figaro: Der ist mit dem sizilianischen Bariton Nicola Alaimo ebenfalls ideal besetzt. Was er stimmlich draufhat, demonstriert er sogleich bei seiner Auftrittsarie. Die Töne schießen heraus, dass es eine Freude ist. "La la ran, la la ran. Bravo, bravissimo!"

Und Alessandro Corbelli als Bartolo? Kaum zu glauben, dass der Herr mit dem eleganten Timbre im September seinen 70er feiert. Mit dem aberwitzigen Tempo auf der Bühne kann er locker mithalten. Bleibt noch der Graf in Gestalt des uruguayischen Tenors Edgardo Rocha. Rossinis mörderische Koloraturen geraten hier und da zwar zur Zitterpartie, dafür überzeugt Rocha mit virilem Timbre. Darstellerisch ist er eine Wucht, ob als sturzbesoffener Soldat oder in seiner Parodie des frömmelnden Priesters. Im Orchestergraben entfalten die Musiciens du Prince – Monaco unter Gianluca Capuano Rossinis ganze Klangpracht, dem der schlanke und wendigere Originalklang bisher ungehörte Facetten entlockt. Jubel. (Miriam Damev, 5.8.2022)