Mit Kopfschmuck und Umschnalldildo: Hauptfigur Lulu muss sich in dem gleichnamigen Drama von Frank Wedekind immer wieder gegen die zügellosen Begierden der Männer behaupten.
Foto: Herwig Prammer

Eine Femme fatale, mehrere Gesichter und viele tote Ehemänner. So weit, so anrüchig. Das ist der Stoff von zweien von Frank Wedekinds Tragödien, sie wurden später zu einem Drama zusammengefasst. Lulu heißt das Stück, das von Theaterskandalen und Zensurmaßnahmen begleitet wurde. Die "Urgestalt des Weibes" wollte er zeigen, die zunächst von allen Konventionen befreit ist und später zu einer männermordenden Circe stilisiert wird.

Im Landestheater Linz inszeniert Fanny Brunner die Tragödie wie ein Zirkusstück: Die Aufmachung kratzt an der Absurdität. Clownsnasen, Theaterschminke und bunte Pappaufsteller (Bühne und Kostüme: Daniel Angermayr) erinnern mehr an eine Zirkusmanege denn an eine Theaterbühne. Dieser Ästhetik bedient man sich aber nicht zufällig, übte der Zirkus Zeit seines Lebens doch immer eine gewisse Wirkung auf Wedekind aus. Nur Lulu (Cecilia Pérez) tritt zunächst als unbeschriebenes Blatt auf. Ein hautfarbener Ganzkörperanzug soll sie frei machen von Attributen, die ihr später von der Gesellschaft aufgebürdet werden. Einzig der knallrote Lippenstift deutet auf den Fortgang der Geschichte hin. An den immerzu changierenden Kostümierungen Lulus zeigen sich die verschiedenen Rollen, die ihr im Laufe des Stücks zugeschrieben werden.

Verführerische Anziehung

Schon zu Beginn des Stücks – sie ist mit dem greisen Dr. Goll (Sebastian Hufschmidt) verheiratet – tritt ihre verführerische Anziehungskraft zutage. Als Goll die Affäre Lulus mit Maler Schwarz (Alexander Hetterle) aufdeckt, trifft ihn wortwörtlich der Schlag. "Bussi, Bussi", sagt Lulu, als er tot in ihrem Schoß liegt, "jetzt bin ich reich."

So nimmt die Geschichte ihren Lauf, auf jeden Ehemann folgt die Affäre mit einem anderen Mann und der Tod des vorherigen. Als sie den letzten, den Chefredakteur Dr. Schön (Christian Taubenheim) selbst umbringt, muss Lulu fliehen. Mit ihr kommen Schöns Sohn Alwa (Jakob K. Hofbauer), ein Prinz (Christian Higer), ein Artist (Patrick Ljuboja) und ihre Verehrerin Gräfin Geschwitz (Angela Waidmann).

In Paris beginnt Lulus Niedergang, sie findet sich als Edelprostituierte im Glücksspielmilieu wieder. Als sie in London in der Gosse landet, fällt sie Jack the Ripper zum Opfer. Von ihrer sexuell aufgeladenen Ausstrahlung ist zum Schluss nichts mehr übrig, sie stirbt als blasser Schatten ihrer selbst.

Lulu ist die Geschichte einer Frau, der die Männer von Beginn an übel mitspielen. Sie will sich dieses Spiel zu eigen machen, geht schlussendlich dennoch daran zugrunde. Brunner gelingt hier eine zeitgemäße Inszenierung von Wedekinds Skandaldrama, dessen Stoff bis heute aktuell bleibt. (Caroline Schluge, 20.9.2022)