Trotz hervorragendem Debüt ist es für Emmanuel Tjeknavorian zu früh für den Posten als Chefdirigent der Wiener Symphoniker

Er wird es eher nicht. Obwohl Emmanuel Tjeknavorian bemerkenswert erfolgreich an seiner kompletten beruflichen Metamorphose vom Geiger zum Dirigenten arbeitet, kommt die Chefdirigentenposition bei den Wiener Symphonikern für den erst 27-Jährigen zu früh. Sein Wiener Debüt mit dem Orchester im Konzerthaus war jedoch erstklassig und bot unter anderem so präzise durchgearbeitete wie beseelte Interpretationen von komplexen Werken wie der Tragischen Ouverture und den Haydn-Variationen op. 56.a von Johannes Brahms.

Neuer Posten voraussichtlich erst ab 2025

Aber die Wiener Symphoniker haben es mit der Besetzung ihres vakanten Chefpostens sowieso überhaupt nicht eilig. Es wäre schön, wenn man den 125. Geburtstag des Orchesters im Jahr 2025 mit einem Chefdirigenten oder einer Chefdirigentin feiern könnte, heißt es dort von offizieller Stelle. Aber selbst für dieses ferne Datum gelte: "Muss nicht sein." Ein gemeinsamer Weg des Orchesters, des neuen Chefs und der Intendanz habe oberste Priorität.

Zur Erinnerung: Im April hatte Andrés Orozco-Estrada nach eineinhalb Jahren Knall auf Fall hingeschmissen. Die Enttäuschung über ein Votum des Orchesters gegen seine Vertragsverlängerung durfte eine Ursache dafür gewesen sein, als anderen Grund nannte er "langanhaltende und unüberwindbare Differenzen mit dem Intendanten des Orchesters", Jan Nast. Der nun möglicherweise jahrelang allein über die Geschicke des Orchesters bestimmt. Ohne Chefdirigent haben die Wiener Symphoniker keine prägende künstlerische Kraft und auch kein Gesicht, dass sie nach außen verkörpert.

Debüt der Extraklasse

Enthusiastischen Applaus gab es am Montagabend für das Orchester und für Tjeknavorian, die das Programm vorher in Deutschland und der Schweiz gespielt hatten. Ein Debüt der Extraklasse, das in seiner herausstechenden Qualität an das eines 26-jährigen Dirigenten im Jahr 2004 erinnerte, der mit dem Tonkünstlerorchester Niederösterreich Bruckners Vierte zur Sternstunde gemacht hatte. Sein Name: Andrés Orozco-Estrada. Bleibt für Tjeknavorian nur zu hoffen, dass sein Karriereweg unter dem Stern harmonischerer künstlerischer Partnerschaften steht. (Stefan Ender, 27.9.2022)