Das Paar in Salzburg 2023: Valerie Pachner, Michael Maertens.

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Siebenhundert Vorstellungen hat Hofmannsthals "Jedermann" in seiner 101-jährigen Geschichte bei den Salzburger Festspielen bereits auf dem Buckel. Im kommenden Sommer werden Michael Maertens der 21. Titelheld und Valerie Pachner die 36. Buhlschaft sein. Maertens steht über das Vertragsende von Schauspielleiterin Bettina Hering 2023 hinaus eine längere Karriere als Jedermann bevor, für Pachner ist das noch nicht so klar.

Bei der Pressekonferenz am Donnerstag im Wiener Künstlerhaus haben sich die Schauspieler an der Seite von Regisseur Michael Sturminger erstmals präsentiert. Aber nicht nur die Doppelspitze wird neu besetzt. In einem halben Dutzend Nebenrollen finden sich neue namhafte Darsteller aus dem ganzen deutschsprachigen Raum.

Froboess und Plaschg

Cornelia Froboess etwa löst Angela Winkler als Mutter ab, Bruno Cathomas und Fridolin Sandmeyer sind dicker und dünner Vetter, Sarah Viktoria Frick übernimmt Teufel und Gott. Und Anja Plaschg, als Musikerin Soap & Skin bekannt, tritt in der Rolle des Glaubens auf.

Michael Maertens, der vor dreißig Jahren in Botho Strauß' "Das Gleichgewicht" sein Debüt in Salzburg gab, verblüffte mit der Angabe, er habe bereits als Achtjähriger im "Jedermann" gespielt – dies allerdings im hessischen Heppenheim, wo sein Vater, der Schauspieler Peter Maertens, den Jedermann gab und Klein-Michael als Kind des Schuldknechts mit eigenhändig beschmutzten Knien die Bühne enterte.

Dagegen ist Valerie Pachner geradezu eine Spätberufene. Sie hat sich erst nach und nach an den Schauspielberuf herangetastet und betritt nun nach einer für Filmarbeiten beanspruchten Theaterpause erstmals wieder die Bühne – aus Sehnsucht nach der deutschen Sprache, wie sie im Interview sagt.

STANDARD: Ihr Heimatort Bad Schallerbach liegt nicht weit von Salzburg entfernt. Welchen Bezug haben Sie zu der Festspielstadt?

Pachner: Als Kind bin ich auf einem Schulausflug in Salzburg verloren gegangen. Es hat geschüttet, es war grauenhaft. Aber meine Salzburg-Erfahrungen wurden besser, beinahe konträr: Als Studentin war ich bei den Salzburger Festspielen und war von der Energie, die da in der Luft liegt, begeistert.

STANDARD: Jedermann und Buhlschaft sind ein prototypisches Heteropaar. Welche Eigenschaften sind Ihnen an der Buhlschaft wichtig?

Pachner: Wichtig ist mir, zu zeigen, dass Frausein ganz Unterschiedliches bedeuten kann. Ich sehe die Buhlschaft nicht zwingend mit ultraweiblichen Werten belegt. Auch im Zusammenspiel mit dem Tod ergibt sich da etwas Neues. Der Tod ist nicht unbedingt weiblich, und auch die Buhlschaft muss nicht zwangsläufig weiblich sein. Damit öffnet sich für mich ein von Geschlechtern losgelöster Denkraum.

STANDARD: Der Tod könnte einen gewissen Schatten auf die Buhlschaft als Figur vorauswerfen?

Pachner: Das wird sich dann in den Proben und Aufführungen weisen.

STANDARD: Werden Sie Frisurvorschläge für die Buhlschaft machen?

Pachner: Das ist nicht mein erster Zugang. Mein erster Zugang verläuft über die Sprache. Die Debatte um Äußerlichkeit kommt ja von außen. Die Beurteilung von Kleid oder Frisur interessieren die Darstellerin meist nicht so sehr.

STANDARD: Sie kehren von der Filmarbeit zum Theater zurück – wegen der deutschen Sprache. Warum genau?

Pachner: Die deutsche Sprache ist viel verwobener mit meinem Sein als eine Fremdsprache. Das Spiel ist mir damit zugänglicher. Sprache bekommt am Theater mehr Gewicht als beim Film. Ich kann mich von der Sprache bewegen lassen und muss mir gar nicht viel überlegen. Man lässt einfach die Sprache los.

STANDARD: Wollen Sie wieder in einem Theaterensemble arbeiten?

Pachner: Das würde sich mit meinen Filmarbeiten derzeit nicht vereinbaren lassen.

STANDARD: Sie haben in Honduras gelebt. Was haben Sie dort gemacht?

Pachner: Ich habe ein freiwilliges soziales Jahr gemacht, im Zuge eines interkulturellen Austauschs. Ich wusste damals noch nicht, ob ich Schauspielerin werde, aber habe damals mit Straßenkindern Theater gemacht. Mir wurde bewusst, was die Kraft von künstlerischer Arbeit bewirken kann. Wir können auf dieser Welt nicht alle Probleme sofort lösen. Aber mit Kunst kann man im Moment etwas schaffen, das Trost spendet oder weiterhilft.

STANDARD: Verena Altenberger sagte, "Jedermann" sei für sie ein "Abgesang auf das Patriarchat". Was erzählt das Stück für Sie?

Pachner: Für mich geht es um das Sterbenlernen und mit dem Sterben leben zu lernen. Auch die Tragik, dass man das Leben übersehen hat, und plötzlich ist das Ende da. (Margarete Affenzeller, 1.12.2022)