Nein, Herbert Kickl kommt nicht einfach zur Pressekonferenz, die eine Buchpräsentation wird, der FPÖ-Chef schwebt geradezu – vielleicht auf seinen Umfragewerten – in den Raum. In der Hand den künftigen heimischen Bestseller mit dem klingenden Namen "Und die Schwurbler hatten doch recht ..." – als ob sie selbst je daran gezweifelt hätten, die einzige und freie Wahrheit für sich gepachtet zu haben. In der Unterzeile: "Der Corona-Faktencheck".

Ein stolzer Herbert Kickl, mit einem Beweis seiner Unfehlbarkeit in Händen.
Foto: APA/EVA MANHART

Verfasst haben dieses sicherlich auf alle Zeit unumstrittene Meisterwerk die beiden Pandemieprofis und Corona-Kenner Mag. Gerald Hauser, FPÖ-Nationalratsabgeordneter und Schwurbler der zweiten Stunde, und Univ.-Doz. Dr. Hannes Strasser, Urologe und Kamerad der Freien Ärzte Tirol. Beide wissen genau, wovon sie sprechen. Das haben sie bereits mit ihrem ersten Buch "Raus aus dem Corona-Chaos" bewiesen. Hauser ist einmal geimpft und verspürte Nebenwirkungen, Strasser war jener Mediziner, der via FPÖ-Youtube-Kanal die Einnahme von Ivermectin empfahl. Das und die Todesfälle wegen Ivermectin-Einnahmen in Österreich erwähnte Kickl in seinen Einführungsworten zwar nicht, verwies aber auf das anscheinend ungerechtfertigte Disziplinarverfahren, das gegen Strasser eingeleitet wurde, und sagte: "Hätte man auf ihn gehört, hätte man vielen, vielen Menschen sehr viel Leid ersparen können."

Populismusschätze

In der Tonart ging es dann weiter. Man zitierte Überschriften, einzelne aus dem Zusammenhang gerissene Sätze, Studien, die in die Agenda passen, und manchmal durfte es auch nur ein Halbsatz sein, der als Beweismittel zugelassen wurde. Die drei Herren packten alle Methoden aus, die in der Populismuskiste stecken, um "Systemparteien" und "Systemmedien" zu diskreditieren. Da stand dann auf einem Taferl, das Hauser zückte, dass "1,2 Mrd. Euro zur Bekämpfung der Pandemie – auch zur Finanzierung der Beschaffung der Impfstoffe" – verwendet wurden. Mit gelbem Leuchtstift waren da selbstredend nur "1,2 Mrd. zur Finanzierung der Beschaffung der Impfstoffe" markiert.

Man freute sich darüber, dass es der FPÖ gelungen ist, den Impfzwang zu beenden, bedauerte aber, dass bis zu diesem entscheidenden Wendepunkt "Ungeimpften Lebenszeit gestohlen" wurde – etwa weil Hauser keinen Kaffee trinken gehen oder seinen Vater im Altersheim besuchen gehen durfte –, während man als ungeimpfter, gesunder Österreicher gleichzeitig "um seinen Aufenthaltsstatus im eigenen Land" fürchten musste.

Hauser (links) bedauerte, dass ihm während der Pandemie Lebenszeit gestohlen wurde. Kickl und Strasser (rechts) haben schon immer gewusst, dass das nicht der Fall wäre, hätte man auf sie gehört.
Foto: APA/EVA MANHART

Keiner der drei Herren erinnerte sich daran, dass es die FPÖ war, die angesichts der drohenden Corona-Pandemie Anfang 2020 der Regierung Untätigkeit vorwarf. Dominik Nepp vermutete den Gesundheitsminister im Jänner schlafend in der Pendeluhr. Der Kärntner FPÖ-Chef Gernot Darmann erklärte Anfang Februar, dass "reine Fieberchecks am Flughafen" zu wenig seien. FPÖ-Gesundheitssprecher Gerhard Kaniak sprach im selben Monat von "Placebo-Maßnahmen", die der Gesundheitsminister bislang getroffen habe. Bis dann Corona wirklich da war, Maßnahmen gesetzt wurden und die FPÖ ihre Forderungen um 180 Grad drehen musste.

Gorbatschow trifft Lincoln

Statt im eigenen Staub zu wühlen, mussten bei der Buchpräsentation sogar Michail Gorbatschow und Abraham Lincoln als Zitategeber herhalten, einmal mit "Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben". Das andere Mal mit "Man kann einen Teil des Volkes die ganze Zeit täuschen, und das ganze Volk einen Teil der Zeit. Aber man kann nicht das gesamte Volk die ganze Zeit täuschen." Letztere Worte hatte Strasser wohl als krönende Schlussworte geplant – und sie wären ein super Aufhänger für die Schlusspointe dieser Glosse gewesen. Doch Strasser hatte die Rechnung ohne Hauser gemacht. Der krallte sich die letzten Worte vor den Journalistinnen und Journalisten, um den "alternativen Medien" zu danken, denn ohne sie wäre die ganze Wahrheit nie ans Licht gekommen.

Bleibt nur zu hoffen, dass uns die nächste Pandemie so lange verschont, bis das Buch vergessen ist oder die Regierung dann zumindest gleich heftige Maßnahmen setzt. Andernfalls müsste sich die FPÖ gleich noch einmal drehen – und irgendwann wird dann dem Ersten schwindlig werden. (Guido Gluschitsch, 18.1.2023)